Nachtwache

Nachtwache

Die Nachtwachen sind gleichermaßen fastzinierend, aufregend wie beängstigend. Zumindest in Gedanken. Ich glaube jede(r) von uns hat sich Gedanken gemacht, wie er oder sie die Nacht allein im Cockpit verbringen wird, wie wach bleiben, was tun und jede(r) nutzt diese Zeit für sich allein anders.
Ich hatte heute wohl die perfekte Nachtwache. Mit dem Plan fing es an: Ich hatte die 21.00 – 24.00h und dann wieder die 06.00-09.00h Schicht. Also schön in die Nacht hinein, noch munter während so langsam alles zur Ruhe kommt. Dann genug Schlaf und um 06.00h wieder wach, eine Zeit, zu der ich eh meist wach werde.
Wir sind heute Nacht um den Absatz des italienischen Stiefels gesegelt: am frühen Abend noch drohte der Wind einzuschlafen und wir wagten uns an einer Leine am Boot ins Wasser. Das erste Mal unter Segel, was etwas aufregender ist, da man ja nicht einfach den Rückwärtsgang einlegen kann, um zu bremsen. Nach dem Bad kam der Wind tatsählich noch einmal wieder und wir segelten unter Vollzeug (Fachbegriff für komplettes Groß + komplette Genua) bei 12-17kn Wind durch den Golf von Taranto (sozusagen das Fußgewölbe unter dem Absatz). Das war in mehrfacher Hinsicht super: Wir hatten Nordwind, wodurch wir zwar auf einem nicht sehr schnellen raumen Kurs segeln mussten aber wir waren bezogen auf die Wellen in der Landabdeckung. Fast keine Welle, eine Pause im hin- und her schaukeln und dazu einen unglaublichen Sternenhimmel! Kein Mond, daher um so mehr Sterne! So hatte ich mir die Nachtwachen erträumt: Unter klarem Sternenhimmel, T-Shirt-Wetter, angenehme Brise. Um das fast schon kitschige Bild abzurunden habe ich tatsächlich meine Gitarre herausgeholt und Enno, der mir anfänglich Gesellschaft leistete, und ich haben abwechslend gespielt und gesungen. Traumhaft.
Getragen von dieser Begeisterung habe ich dann einen ersten Kontakt mit unserem Sextanten gewagt: Da ich durch die Restdämmerung noch eine Horizontlinie hatte und gleichzeitig die Sterne so klar sehen konnte, habe ich mich an die allereinfachste der Standortbestimmungen herangetraut. Suche den Polarstern und versuche ihn mit dem Sextanten auf die Horizontlinie zu holen und schon hast du den Breitengrad auf dem du segelst. Ist zwar nur die halbe Standortbestimmung, da ja noch der Längengrad fehlt aber mal klein anfangen :-). Und es hat geklappt: Ich konnte den Stern „schießen“ und dann mit der Spiegelkonstruktion des Sextanten „auf die Horizontlinie holen“. Raus kam 39° und 34´, das GPS zeigte 39° und 33´. Also höchstens 60sm Abweichung, aber das ist ja schon ziemlich genau :-). Ich war auf jeden Fall Stolz, dass das schon mal geklappt hat und die aufwendige Standortbestimmung, bei der man gute 2h rumrechnet hebe ich mir für zukünftigen Nachtwachen auf!

Meine 6.00h Schicht begann dann mit einem herrlichen Sonnenaufgang, inzwischen dann doch unter Motor bei eingeschlafenem Wind über ruhigem Wasser. Ich kann in Ruhe Kaffee kochen, den leckeren Kuchen essen, den Caro für die geplanten Nachtfahrten gebacken hat und euch an unserem Leben teilhaben lassen. Diesmal sogar auf dem Computer geschrieben, so angenehm ruhig ist es. Noch 3h bis La Castella, unserem Ziel am vorderen Absatz des Stiefels, wo wir uns eine schöne Stelle suchen wollen, an der wir 1-3 Tage ankern können und den richtigen Wind für die letzte Etappe nach Catania abzupassen.

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