Der Ort besteht aus vier bebauten Straßen, 4 Einkaufsläden, drei leeren Bars und mindestens 4 Kirchen unterschiedlichen Glaubens. Die gelassene Atmosphäre ist freundlich, ruhig bis träge.
Unsere frischen Vorräte an Obst, Gemüse und Fleisch sind aufgebraucht und beim gestrigen Einkaufsbummel haben wir noch nichts Dergleichen im Dorf ausfindig machen können. Überhaupt sind auch Süßigkeiten Mangelware, sodass wir abends voller Freude und Spannung das letzte Toffifee als Gewinn unserer Canasta Runde ausgeschrieben haben. Es wurde dann leider brüderlich geteilt.
Martin hat gleich mit Will (ein Franzose, der den deutschen Namen Wilhelm trägt) seine nächste Kite-Stunde und schiebt noch fleißig Kohlenhydrate in Form von Müsli in sich rein. Für Yoga am Strand ist jetzt keine Zeit, dafür gibt es eine Runde aktives Atmen, worüber sich Enno köstlich amüsieren kann.
Um mir die Zeit zu vertreiben und unsere Vorräte aufzubessern, spaziere ich in das 3 km entfernte Clifton. Ich habe mich dort mit Lenni verabredet, der in einer schnellen Gleitfahrt über das Meer mit dem Dinghi kurz nach mir eintrifft. Aufgrund eines Missverständnisses tragen wir jeder 2 Gasflaschen durch ganz Clifton und noch einen Berg hinauf, bis uns jemand aufklärt, dass wir in die ganz andere Richtung müssen. Puuh – es ist heiß und ich beschließe mit etwas schlechtem Gewissen Lenni alleine zurückgehen zu lassen, und dass ich den Rückweg antrete. Lenni zeigt sich heldenhaft und spaziert, jetzt mit 4 Gasflaschen bestückt, den Weg allein zurück.
Wieder in Ashton angekommen, überlege ich, ob ich auf Lenni am Steg warten soll, entschließe mich aber, aufgrund der Hitze, ein anderes Boot nach einem Dinghylift zu fragen. Gute Entscheidung – Lennis Besorgungen in Clifton dauern doch länger… Während wir auf ihn warten, fragen wir uns, ob wohl alles gut geht und wir nicht leichtsinnig entschieden haben, Lenni alleine fahren zu lassen. Wir fragen also, für den Fall aller Fälle, schon die ‚Rivendells‘ an, ob wir einen Lift bzw ihr Dinghy bekommen. 1 1/2 Stunden später rast Lenni heran. Kein Grund zur Sorge – einfach loslassen 😉
Er erzählt, dass ein junger Mann sehr hilfsbereit ihn zum Gasmann, zur Bank, zum Telefonshop und dem Internetcafé führte. Ganz schön nett! Und nächstes Mal sollte er die Einkäufe übernehmen (!), hat er doch die Flasche Cola für ’nur‘ 7 EC (ca. 2,30 €) bekommen, anstatt für 16 EC, also umgerechnet 5,30 €.
Heute machen wir alle zusammen Yoga am Strand. Für das Frühstück kaufen wir dann auf dem Markt noch Eier und während ich Obst schnipple und Enno Eier brät, legen Martin und Lenni noch einmal Hand an die Ankerwinsch an. Und JAA, sie läuft wieder, nachdem Raphael und Martin den gestrigen Tag etwas frustriert beendeten.
Weiter hat Lenni dann mithilfe eines YouTube-Videos herausgefunden, wie sich unsere Türgriffe reparieren lassen und gleich in die Tat umgesetzt. Vielen Dank dafür!
Mittägliches Schnorcheln am hiesigen Riff löst unterschiedliche Begeisterung aus. Wir müssen vom Ankerplatz des Dinghis das Riff erst überschwimmen, um an der Seeseite schnorcheln zu können. Da es nur ca. 30 cm mit Wasser bedeckt ist und dazu in unmittelbarer Nähe die Welle bricht, kommt es zu Schrammen. Aber ich entdecke einen Babyrochen, der sich schnell im Sand eingräbt und mit großen Augen zu uns schaut. Und während ich schreibe, höre ich Martin Gitarre spielen und im Hintergrund die Wellen plätschern – Halleluja!
Wir beginnen den Tag mit der Verteidigung unseres Bootes gegen Müllwürmer. Zwischen unbewohnten Inseln ist es nicht so einfach Müll zu entsorgen und so wurde der Sack immer größer und größer bis heute morgen Leben aus ihm entsprang. Wir verbannen das schwarze Monster in das Beiboot und kriechen mit Essig bewaffnet in hoffentlich jede Bodenritze. Welche Metamorphosen durchläuft eigentlich so eine Made?
Um 8.00 Uhr sind wir dann mit Anja und Fred verabredet, um Meridiane zu machen (an dieser Stelle liebste Grüße an Ilka und unsere Freunde aus den Seminaren). 6 Paar-Entspannungsübungen, in denen die einzelnen Positionen so lange gehalten werden, dass man einfach loslassen muss.
Nach einem nussigem Porridgefrühstück und Ennos Schulunterricht legen wir ab nach Union Island. Lennard ist heute Kapitän und ich schmore Marsala Hühnchen in Kochbanane.
Und schwupps, der Tag neigt sich schon wieder dem Ende zu und für den Genuß des Sundowners mit der Crew von Wildest Dreams und Rivendeel haben wir uns heute die kleinste bebaute Insel ausgesucht.
Und gerade erfahre ich, dass der Barkeeper und Eigner das kleine Eiland mithilfe von Muscheln aufgeschüttet hat.
Ich wache auf von Motorgeräuschen, es dämmert ’schon‘. Martin lichtet den Anker und wir verlassen Bequia und brechen auf in die Tobago Cays, zu dem berühmten Horseshoe Reef. Eine kleine unbewohnte Inselgruppe, die nur über Wasser zu erreichen ist.
– Apfelbäume gibt es hier keine, dafür palmenumsäumte Strände mit Fischreihern und trägen Leguanen; türkisfarbenes Wasser in dem sich Schildkröten, Rochen und unbekannter Buntfisch in großer Zahl tummeln. Wir treffen auf ‚alte‘ Freunde aus La Graciosa und genießen Sundowner in weichem Sand.
Liebste Niki, dass hört sich nach einem ganz wunderbaren Fest an. Und ich stimme dir 100% zu, dass Gäste glücklich machen, verbringen wir doch die schönste Zeit gemeinsam mit anderen. Dort treffe ich auf großes Verständnis und meine Perspektive auf das Leben hier wandelt sich und reift. Grundsätzlich habe ich wohl ein Stück mehr Urlaub erwartet, was diese Auszeit definitiv nicht ist. Und an mir ist es jetzt, den täglichen Herausforderungen mit mehr Gelassenheit und Zuversicht zu begegnen.
Durch das Absetzen der Antibiotika hat sich meine Stimmung schlagartig erhellt und ich freue mich auf den heutigen Tauchgang mit Lenni.
Um uns herum türkisfarbenes Wasser, trotzdem kämpfe ich gerade etwas mit Übellaunigkeit und Heimweh. Ist doch der Zeh immer noch nicht in Ordnung und ich kann wegen möglicher Infekte nicht ins Wasser und auch Strandspaziergänge gestalten sich schwierig. Aber ich habe ein Buch über Mudras in die Hände bekommen und vertreibe mir die Zeit mit interessanten Fingerübungen. Dort ist auch zu lesen, dass man möglichst viel mit seinen Händen tun soll, da bekommt die ‚kleine Handwäsche‘ gleich einen spirituellen Sinn;-).
Gegen das Heimweh hilft mir gerade eine nette Einladung von den ‚Wildest Dreams‘ zum Pancake-Frühstück.
Wie schon oft geschrieben, braucht das Boot mehr Aufmerksamkeit als erwartet. Jetzt haben wir gerade das Problem, dass der Regler, der die unterschiedlichen Batterien bedient nicht richtig funktioniert. Wir hoffen hierfür auf kompetente Hilfe in Martinique, wenn wir wieder in den Norden aufbrechen.
Doch erst mal geht es weiter in den Süden zu einsamen Palmenstränden.
Es ist ein Tag vor Ennos Geburtstag. Also, dem Alter nach haben wir ab morgen zwei Teenager an Bord. Dass wir die Reise in diesem Zeitraum machen und die „Kinder“ nicht mehr nur klein und bedürftig sind, ist eine glückliche Fügung. Wenn wir segeln segeln wir gemeinsam, wohin wir segeln entscheiden wir gemeinsam. Klar, wir haben uns alle mitgenommen, und wir fanden uns auch schon zu Hause nicht nur einfach. Doch dort würde jeder/jede seine/ihre Wege gehen, an Bord erleben wir uns alle intensiver. Für Ennos Geburtstagsfeier segeln wir heute nach Bequia in die Admirals Bay.
Mit Genua und gerefftem Groß kommen wir mit durchschnittlich 6,5 Knoten flott voran. Wir haben eine starke Strömung, 2-3 m Welle und 25 Knoten Wind. Nach gut einer Stunde laufen wir in die Bucht ein und gehen auf die Suche nach Wasser. Das wertvollste Gut gibt es hier im Überfluss und so können wir wieder unsere Tanks füllen.
Jetzt sitzen Martin und ich gerade bei Lauras und ich versuche mich mit reichlich Painkiller auf das Backen der Geburtstagskuchen vorzubereiten.
Es 2.30 Uhr und ich höre an den Geräuschen im Boot, dass ich nicht allein wach liege. Hinter der Sperrholzwand liegt Lennard und kichert. Ich kann nur noch schlecht schlafen, obwohl ich doch gerade jetzt, wo wir noch ruhig im Hafen liegen, noch ‚vorschlafen‘ sollte. Mein zum Teil mulmiges Gefühl ist freudiger Erwartung gewichen. Natürlich wäre es schön, etwas mehr Zeit gehabt zu haben für Sightseeing, einen mentalen Spaziergang, Telefonaten mit Freunden oder auch mal wieder zum Frisör zu gehen und auch meine Fußnägel sollten unbedingt wieder lackiert werden ;-))
Wir sind mit Anderem beschäftigt. Für eine ausführliche Beschreibung ist jetzt keine Zeit mehr, deshalb nur ein Auszug von der ‚Liste‘:
Einkaufen bei Lidl, Carrefour, Decathlon, Bauhaus, Chandler bezahlen, altes Segel aufziehen, sicherheitseinweisung der Crew, Boot saubermachen, Kochen, Wetterrouting, Obstnetze basteln, Auto zurückbringen, Wäsche waschen, Boot bedanken, Baxe (?) umorganisieren, Cockpit aufräumen, Bücheregal sichern, Grabbags befüllen, Trillerpfeifen an Schwimmwesten anbringen, Lifelines befestigen, Sicherheitscheck Boot, Imigration Office, vorbereiten des Parasailors, Wachplan erstellen, Motor überprüfen, Angelzeug komplettieren (nach einem Beißtest durch Abdullah ), Flaggen hissen, Leinen aufschiessen, Wassertanks befüllen, telefonieren, Deck schrubben, Müll entsorgen, …..
Es sieht so aus als würden wir bald über den Atlantik segeln.
Wir haben seit an Beginn der Reise über viele Reiserouten und Möglichkeiten der Reisegestaltung nachgedacht. Dass wir uns jetzt über den Ozean wagen, war ein Prozess. Zu diesem Prozess gehört auch Ennos Wunsch, diese Etappe auszulassen, und uns erst wieder in der Karibik zu treffen und gemeinsam Weihnachten zu feiern.
Die Vorstellung über Wochen kein Land zu sehen fällt mir nicht leicht und bewegt sich zwischen blauer Langeweile, dem Erwarten der Ankunft und im schlimmsten Fall einem Traumbild, welches ich vor der Reise ‚genießen‘ durfte, und welches einen viele Meter hohen Bug eines Containerschiffes über uns zeigte.
Der Wunsch, über den Atlantik zu segeln wird genährt von den vielen Seglern in unserer Nähe, früher oder später gehen sie alle (Ausnahmen bestätigen die Regel). Aus der intensiven Zeit der Vorbereitung ist mittlerweile eine tolle Gemeinschaft erwachsen. Wir feiern gemeinsam Halloween, teilen Nöte und Ängste, sensibilisieren unsere Gaumen auf DAS Getränk in der Karibik und helfen uns mit Diesem und Jenem. Ein gutes Gefühl!
Dabei waren die letzten Tage gar nicht so gut. Beim Umlegen im Hafen von Arrecife haben wir uns eine ziemliche Schramme geholt. Der Anker eines benachbarten Bootes kratzte nicht nur entlang unserer Bootswand, sondern leider auch an unserem Selbstbewußtsein als Segler mit bevorstehender Atlantiküberquerung. Über mehrere Tage grollte mein Magen, aber ein Abenteuer ohne Schrammen????
Letztendlich eine Frage des Fehlermangements, oder???
Dazu hatte Clife, der unser Rigg mitt einem neuen Auslass für den Drachen ausstatten sollte, einen Arbeitsunfall. Somit ziehen wir unverrichteter Dinge weiter. Da mittlerweile schon ein kräftiger Wind bläst, bin ich schon Stunden vor dem Ableger nervös und habe ein mulmiges Gefühl. Wir gehen gemeinsam wiederholt die einzelnen Schritte durch, um alle auftretenden Kräfte durch Strömung und 25 Knoten Gegenwind im Blick zu behalten und es gelingt uns wieder ein bilderbuchmäßiges Hafenmanöver.
Unser Törn führt uns in den Süden von Lanzeroti nach Rubicon am Playa Blanca. Das Ankern vor der Hafeneinfahrt wird leider für Lenni bzw. seiner Brille zum Verhängnis. Beim Kontrollieren der Ankerlage, geht wie gewohnt der Blick nach unten und eine kräftige Bö schnappt sich die Brille, lädt sie davonsegeln und im Wasser abtreiben. Letzte Rettungsversuche durch Martin und Lenni bleiben erfolglos.
Wir haben vor der Abreise immer wieder über die Versorgung der Hörgeräte nachgedacht, da diese unterwegs nicht wiederzubeschaffen sind und dabei leider die Brille aus dem Blick verloren. Nun sitzt Lenni beim abendlichen Spielen vor uns mit Sonnenbrille und Pokerface.
Unser lieber Bootsnachbar Raphael von ‚Wildest Dream‘ versucht am Morgen Tauchequipment zu organisieren, Diveshops verleihen nichts außerhalb ihrer Exkursionen, doch andere Segler erfahren von dem Malheur und stellen uns ihr Equipment zur Verfügung. Ich mache mir keine großen Hoffnungen, schließlich hat das Brillengestell die Farbe des hiesigen Untergrunds, eine Camouflage aus braun, hell- und dunkelgrün.
Die Lage der Brille ist mit einem Schwojenradius von 40 m alles andere als eindeutig, zumal wir unser Boot verlegen mussten, da es in einem Gebiet für Jetskifahrer lag. Eine kleine Ankerboje wird ebenfalls von den Betreibern entfernt, sodass die Orientierung unter Wasser nicht mehr gegeben ist. Mittlerweile bin ich auch schon 2 x unverrichteter Dinge im Wasser gewesen, einmal verhindert durch Jetskifahrer einmal durch Flaschenverlust. Ich lerne von Raphael ‚three Times is a charm‘ und lasse mich erneut ins Wasser plumpsen. Nach dem Abtauchen bin ich leider völlig desorientiert, die Sicht ist so schlecht, dass ich weder Boote noch Bojen sehe. Doch von oben wird mir durch laute Delphinimitationen die Richtung gezeigt und werde jetzt von Lenni und Raphael geführt. Ich beginne also die Suche nach der Nadel im Heuhaufen und genieße auch die Unterwasserwelt. Das Suchbild wird mir immer vertrauter, begrüße einige Fische und eine wunderschöne Seespinne. Völlig unerwartet (es sind bereits 20 min vergangen und Lennis Kälteakzeptanz aufgebraucht) nehme ich das ‚eins ist anders als alle anderen‘ tatsächlich wahr. Ich kann es kaum glauben, tatsächlich liegt Lennis Brille unbeschädigt auf einem Stein. Den Rest des Tages grinsen wir freudig und veranstalten am folgenden Tag mit allen Beteiligten ein Brillen- und Abschiedsfest. An dieser Stelle ein großes ‚Thank you‘ an Raphael für sein Management und seine Zuversicht.
Ja, und jetzt heißt es auch Abschied nehmen von Lanzeroti. Wir werden mit Starkwind nach Teneriffa ‚fliegen‘ und hoffentlich einen Rigger treffen, der uns einen neuen Auslass für den Drachen am Mast montiert.
Erst mal tief durchatmen und dann am Besten gleich noch einmal. Nach der letzten Etappe ist erst mal die Luft raus, also mindestens 2 Gänge zurückschalten.
Da passt unsere Bucht vor der kleinen Insel La Graciosa, im Norden von Lanzerote ganz prima. Die Insel bietet überschaubar viele Ausflugsziele: der Berg, die Strände, das Dorf – und strahlt eine unglaubliche Ruhe aus.
In der Bucht sind mindestens 20 andere Segelboote aus Schweden, Norwegen, Niederlande, Belgien, Frankreich, Deutschland (2 aus Berlin), UK und Amerika und heimische Mororbootfahrer.
So spielen wir Fußball am Strand und grillen gemeinsam. Die Stimmung ist entspannt, jeder hat eine Menge zu erzählen und Tipps für Dies und Das.
Wir nehmen uns am nächsten Tag kleinere Reparaturen vor: Enno klettert das erste Mal in den Mast und montiert eine zweite Fahnenleine,
Lennard klebt die Hülle vom Parasailer und fettet die Toilettenpumpe,
Martin widmet sich liebevoll der elektrischen Toilette,
und ich klebe Fenster und befreie die Backbordseite von Algen.
Und dann wieder herrliche Wanderungen zu Stränden…