Seid wir in den Tobago Cays sind, haben wir auch unsere tägliche Yogapraxis wieder aufgenommen. Anspannung und Entspannung. Geführt von einer Videoanleitung üben wir mit verschiedenen Stationen eines 10-wöchigen Anfängerkurses. Meist mit dem langen Video der 7. Woche, wenn wir Abwechslung benötigen nehmen wir die 6. oder die 8. Woche.
Parallel
versuche ich, mich auch im weiteren Reiseleben zu entspannen. Meine aktuelle
Übung besteht darin, das Urlaubsleben in den Cays zu genießen, auch wenn die
Ankerwinsch kaputt ist. Eine Ankerwinsch ist essenziell für uns, ohne sie
können wir nicht Ankern und Ankern ist zum einen die günstigste und flexibelste
Art der Übernachtung, zum anderen auch ein Sicherheitsaspekt. Dennoch haben wir
beschlossen, einige Tage hier an einer Boje zu verbringen. Es ist einfach zu
schön hier, wir sprechen seid 4 Wochen davon, hierher zu fahren und es hat viel
länger gebraucht als geplant. Ich möchte der Ankerwinsch einfach nicht die
Macht geben, uns zum sofortigen Weiterreisen zu drängen! Also Entspannung trotz
Ankerwinsch und später dann Anspannung, wenn es wieder darum geht, Probleme zu
lösen. Heute Morgen sind Caro und ich früh aufgestanden, um vor dem Yoga, diesmal
mit Anja und Fred von Rivendell, einen entspannten Kaffee zu trinken. Zudem
wollte ich diesen Eintrag schreiben. Während der Kaffeeentspannung kommt die
Anspannung in Form kleiner weißer Maden, die aus der Mülltüte krabbeln. Also
Müll raus, Essiglappen klar, Maden jagen, dabei Boden wischen. Eigentlich
schreit das Boot nach einer Grundreinigung, trotzdem beschließe ich, mich an
das Notebook zu setzen und diesen Eintrag zu schreiben. Entspannung obwohl Caro
weiter am Madenkämpfen ist. Zwischendurch aufspringen, wenn eines der
Motorboote vorbeikommt, was Brot oder Lobster-BBQ anbietet. Versuchen, denen
unsere Mülltüte schmackhaft zu machen. Aber ich bleibe am Ball und schreibe
entspannt weiter 😊. Tief in den Bauch einatmen, langsam wieder ausatmen.
Ich finde, dass mir das in Summe besser gelingt als am Anfang. Ich stelle mehr
und mehr unsere Bedürfnisse nach Urlaub und Genießen in den Vordergrund, das
Boot und dessen viele kleine Anforderungen kommen danach. Ausnahmen sind
natürlich essenzielle Probleme aber wie gesagt, man kann auch ein paar Tage
ohne Anker leben. Und fallen lassen können wir im Notfall! Nur wieder hoch ist
dann etwas schwieriger 😊.
Gestern erfolgte unser 2. Anlauf, die Insel, auf der Käpt´n Jack Sparrow ausgesetzt wurde, anzulaufen. Diesmal nicht mit dem großen Boot, Enno hatte ja berichtet, wie das verlaufen war. Diesmal mit dem Dingi, mit dem wir durch das Riff fahren wollten. Lennard am Steuer und nur die CELM-Crew. „Wildest Dreams“ war schon gefahren, um ihren Außenborder reparieren zu lassen und dadurch waren wir einmal wieder in unserer Familienbesetzung. Das Wetter war entspannt, der Regen hatte sich in der Nacht ausgetobt. Die Wellen waren auch außerhalb des Riffs klein, was nicht ganz unerheblich ist, denn wir will schon mit dem Schlauchboot in der Brandungszone sich auf dem Riff brechender Wellen herumfahren?
Bei der Annäherung der Insel entdecken wir „Rivendell“, einen Katamaran mit Anja und Fred, einem Deutsch-Französischen Paar mit drei Kindern, die wir bereits aus Rabat kennen und die wir schon in Bequia wieder getroffen hatten. Es ist schön, vertraute Boote zu treffen und mit einigen, fühlen wir uns mehr verbunden. Rivendell gehört dazu und entsprechend freuen wir uns, sie wiederzusehen. So genießen wir einen tollen Tag auf der einsamen Insel, schnorcheln und lassen meinen kleinen Drachen steigen. Dieser hat immerhin 2,5m² und wir mit vier Leinen gesteuert. Bei etwas Wind auf jeden Fall herausfordernd und zudem eine gute Übung für eventuelle Abenteuer mit den Kites für das Kitesurfen. Enno, Lennard und Lara, die große Tochter Rivendells wagen das Abenteuer und bekommen das Ungetüm nach kurzer Eingewöhnung gebändigt. Danach sind wir zum Spagetti-Mittagessen auf Rivendell eingeladen und ich habe einmal mehr Respekt vor Familien, die mit kleinen Kindern auf große Tour gehen. Lilly, die kleinste der Rivendells ist supersüß und voller Energie. Allerdings braucht sie auch viel Aufmerksamkeit und ich glaube nicht, dass Anja und Fred viele freie Minuten haben. Da haben wir es deutlich einfacher und so süß ich kleine Kinder finde, so froh bin ich, dass Lennard und Enno schon so groß sind. Trotzdem lassen wir uns gern von der eh schon geforderten Familie zum Essen einladen und genießen den geräumigen Kat. Dabei stelle ich fest, dass auch ein Katamaran nicht unbedingt ruhig im Wasser liegt sondern bei Wellen auch ordentlich schaukelt!
Abends
treffen wir uns wieder zum Sundowner auf dem Strand einer weiteren Trauminsel, eine
weitere französische Familie mit vier Kindern kommt dazu. So geht der Tag sehr
entspannt vorbei und die durch Ankerwinschen verursachte Anspannung ist
erfolgreich in den Hintergrund gerückt worden.
Lenny hat seinen Tauchkurs abgeschlossen und als kleines Extra hatten wir einen gemeinsamen Tauchgang auch für Caro und mich ausgehandelt.
Als mäßig erfahrener Taucher war ich etwas aufgeregt, als wir uns unweit unserer Bucht in Bequia rückwärts von einer ziemlich hohen Bootskante ins Wasser fallen lassen sollten. Die Nervosität war verflogen, sobald wir unter Wasser waren. Ein großartiges Riff voller bunter Fische einschließlich frei schwimmender Moränem, Kofferfischen, Krebsen und vielen Korallen erwartete uns unter Wasser. Ein großer bunter Gärten voller Leben und vor uns ein langer Fisch namens Lennard, der mit offensichtlich viel Spaß elegant und selbstverständlich durch die Tiefen glitt. Wir tauchten weiter zu einem gesunkenen Segelschiff und zum Wrack eines Frachters, beide inzwischen völlig von Korallen überwuchert und von Fischen in Beschlag genommen. Schön und gespenstisch! Der Tauchgang dauerte eine gute Stunde, am Ende war ich ziemlich durchgefroren und saß zähneklappernd auf unserem Tauchboot. Meine beiden Tauchbuddies sahen das und nahmen mich liebevoll in ihre Mitte, um mir etwas Wärme abzugeben. Ein großartiger Familienausflug unter Wasser bei dem nur Enno leider gefehlt hat.
Am nächsten Morgen lichteten wir bzw.. ich schon um 06.30h den anker, um zu den berühmten Tabago Cays zu fahren, kleinen unbewohnten Inseln umgeben von einem Hufeisenförmigen Riff. Auf einer dieser einsamenn Inseln wurde Käpt’n Jack Sparrow mit einer Pistole mit nur einer Kugel von seiner meuternden Crew abgesetzt! Die Erlebnisse hier überlasse ich den nächsten Blogschreibenden nur die gute Nachricht vorab: Selbst wenn mich meine Crew hier meuternd aussetzen sollte, werde ich hier wohl nicht in Einsamkeit zu Grunde gehen 😉.
Hurra, es ist so weit! Enno wird 13! Schluss mit Kind, jetzt Teenager! Gefeiert wird ausgelassen mit ortsüblichen Geschenkideen:
Wir feiern erst an Bord, wie ihr seht. Später dann mit einem Ausflug in den Ort Port Elizabeth in der Admirality Bay auf Bequia, wo wir festlich Hamburger essen. Die Bucht hier hat große Anziehungskraft für Yachten aus aller Welt und wir treffen einige alte Bekannte: Riverndell, eine Familie mit drei Kindern, die deutsch und frazösisch groß werden, natürlich Wildest Dreams mit Rafael, Tiffani und Isabell, mit denen wir seid einigen Wochen unterwegs sind und nun auch noch „Wild“, ein schweizer Boot (französisch) mit 2 Töchtern, die wir auch schon aus Marokko kennen. Neu dazu gekommen ist Argo, ein deutsches Boot mit einem 16-jährigen Jungen. Wir laden alle auf ein Stück selbst gebackenen Kuchen an den Strand ein und abends treffen wir uns alle auf Rivendell. Dieser Katamaran ist nicht außergewöhnlich groß aber er beherbergt mühelos 12 Kinder im Innenraum und ebenso viele Erwachsene. Katamarane haben doch entscheidende Vorteile. Abwaschtechnisch ist es allerdings besser, die Party auf dem Katamaran des Nachbarn zu feiern und dann mit dem Dingi zurück zum eigenen Boot zu schwanken.
Der Tag startet mot einem typischen Bild: Sonnenschein und Regenwolken liefern uns einen traumhaft schönen Regenbogen!
Es regnet mindestens 10x am Tag. Mal heftig wie unter einer Dusche mit gutem Wasserdruck, mal weniger. Auf jeden Fall nie länger als 15 Minuten und natürlich bei angenehm warmen Temperaturen. Aufpassen müssen wir auf die Fenster: Wenn wir alle schließen wird das Boot zum Backofen bzw. türkischem Bad. Wenn wir sie nicht schnell genug schließen ist alles binnen Sekunden durchnässt.
Um 08.00h holen wir Helga von der Sri Mangalam ab. Helga und Frank kennen wir aus Kiel vom Losfahrertreffen des Trans Ocean Clubs und hatten später einen tollen Abend in La Graciosa, Lanzarote. Heute ist der Anlass nicht so toll: Caros Zehennagel hat sich entzündet und schmerzt sehr. Kurz vor der Heim-OP mit dem neuen Leatherman trafen wir Helga und Frank, die uns von Dr. Ackie erzählten. Die beiden haben auch echte Abenteuer erlebt und dabei nicht nur Dr. Ackie sondern auch das lokale Krankenhaus kennengelernt. Ihre wirklich spannende Geschichte findet ihr hier: Sri Mangalam https://saimangalam.de/
Dr. Ackie war sympatisch aber gnadenlos. Caro war swhr tapfer, als er aus meinwr Sicht unbeteubt mit einer Schere in ihrem Nagelbett herumfurwerkte. Mir ist allein bei dem Gedanken daran wieder ganz schlecht.
Danach Geld holen, Antibiotika aus der Apotheke besorgen, zum Supermarkt (ca. doppelter Preis wie in D), dann mit lokal Minibus zurück zum Boot. Um 13h haben wir so ziemlich alles geschafft, ich mache ein paar Spagetthi und bin so müde, dass ich mir einen Mittagsschlaf gönne. Der Vormittag war anstrengend aber solche Aktionen sind auch zu hause kein Spaß.
Am Nachmittag bringen Enno und ich Peter zur Haupstraße, wo er mit seinem Riesenrucksack in den überfüllten Ragamuffin-Minibus steigt. Wir machen einen Spaziergang und versuchen eine lokale Sim-Card für das Telefon aufzutreiben.
Auch das ist gelungen und kurz nach Sonnenuntergang sind wir wieder auf dem Boot. Um 18h ist es dunkel und wir sortieren uns neu: Ohne Peter und ohne befreundete Nachbarboote, nur die #CELM Crew an einem Abend in St. Vincent.
Hier ist Käpt´n Jack Sparrow vom sinkenden Schiff gestiegen und hier liegen wir nun entspannt vor Anker! An der Ostküste von St. Vincent in der Bucht von Wallilabou haben wir die Reste der Filmkulisse des Dorfes vor uns und die traumhaften Ausblicke auf Bucht, Berge und Urwald in unveränderter Schönheit daneben. Wir liegen eingerahmt von der „Wildest Dreams“, dem Boot von dem einbeinigen Amerikaner Rafael (schon fast ein echter Pirat) und seiner Familie sowie einem französischen Boot. Beglückt werden wir von einheimischen Männern, die auf Surfbrettern, Schlauchbooten und Holzbooten zu uns kommen und uns Mangos, Bananen, Fisch und vereinzelt auch eine Ausflugstour anbieten. Viel ist es nicht, was sie anzubieten haben, die Insel ist arm, die Bewohner haben nicht viel. Oder auch sehr viel, wenn man die traumhafte, üppige und fruchtbare Natur betrachtet. Dieser Natur Infrastruktur und Zivilisation abzutrotzen erscheint in Anbetracht von deren Üppigkeit und heftigen Regengüssen und Stürmen eine wirkliche Herausforderung.
Ja, so langsam sind wir angekommen! St. Vincent bringt ein anderes Lebensgefühl mit sich und für uns ist damit auch die Zeit des Organisierens und Reparierens erst einmal vorbei. In Martinique hatten wir einen vorläufigen Tiefpunkt, als unser Dinghi einen neuen Besitzer gefunden hat. Ihr erinnert euch sicher an die Vorgeschichte des Dingis und den damit verbunden Aufwand. Nun haben wir es über den Ozean getragen und nun das. Ein neues Dingi in der Karibik aufzutreiben ist ungleich schwieriger als zu hause, vor allem, wenn mann nicht einfach astronomische Beträge auf den Tisch eines Schlauchboothändlers legen kann. Also habe ich meinen Beruf als Einkäufer wieder aufgenommen und alle Möglichkeiten des Neu- und Gebrauchtmarktes in Martinique und St. Lucia untersucht bis wir nach einigen Enttäuschungen und Überraschungen doch fündig geworden sind. Das hat allerdings zwei Wochen gekostet, in denen wir entweder abhängig waren von Rafaels Dingi oder Taxidienste von anderen Seglern erbitten mussten. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie groß unsere Erleichterung war, als auch dieses Kapitel hinter uns lag und wir uns in Richtung St. Vincent und die Grenadinen aufgemacht haben.
Bei uns ist Peter, mit dem wir schon einige Male in Kroatien gesegelt sind und der nun den Unterschied zwischen Full-Service-Chartersegeln und dem „ich kümmere mich um-mein Boot in der Karibik “ hautnah miterlebt. Aber eben auch atemberaubende Ausblicke auf den Regenwald der Vulkaninseln, bunte Fische und Korallen bei 30° Wassertemperatur, Segeln mit Passatwinden. Ja, es geht uns gut! Gestern hatten wir einen Filmabend – den ersten Film, den ich seid 6 Monaten gesehen habe! Piraten der Karibik Teil 1 in der Bucht, in der dieser gedreht wurde! Das Originalmeeresrauschen im Hintergrund, wenn ich am Notebookmonitor vorbeischaue sehe ich die „echte“ Insel – das ist Wahnsinn! Zusammen mit der Crew der „Wildest Dreams“ waren wir mit 10 Personen in unserem Cockpit, großes Karibik-Kino!
Eigentlich hatten wir geplant, Peter und Teile der Nachbarcrew nach Martinique zu bringen, wo sie Ihre Flüge erreichen können. Es stellte sich nämlich heraus, dass zwischen den südlichen Antillen spärlicher bis kein Fährverkehr besteht. Nun ist Wind bis 35kn angesagt und dazu 3m Welle. Das kann man segeln, wenn es sein muss aber nicht, wenn es andere Lösungen gibt. So haben Peter und Christoph in den sauren Apfel gebissen und teure Flüge von St. Vincent nach Martinique gebucht. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar und mir fällt ein dicker Stein vom Herzen, da diese Tour doch 2 Tage und 2 Nächte Segeln bei wirklich heftigen Bedingungen bedeutet hätte.
Planen ist generell schwierig und wir verwerfen weit mehr Pläne, als das wir sie umsetzen. Irgendwie dauert doch immer alles länger, geht langsamer oder auch gar nicht. Wir gewöhnen uns langsam dran und wenn man nicht zu irgendeinem Zeitpunkt irgendwo sein muss ist es ja auch ein bisschen egal.
Wie immer hoffe ich, dass Caro Bilder zu diesem Beitrag lädt oder Peter, der viele tolle Bilder macht. Ich hatte eine lange Pause im Schreiben, auch, weil es uns nach dem Dingi-Desaster nicht wirklich gut ging und es mir anfing unangenehm zu werden, in leicht depressiven Ton aus der Karibik zu schreiben. Umso mehr freue ich mich, dass ich jetzt in einer anderen Stimmung schreiben kann. Wenn ihr wollt, kann ich auch wieder versuchen regelmäßiger in einer Art Tagebuch-Stil zu schreiben, allerdings ist es jetzt weit weniger aufregend, als während der Überfahrt. Schreibt mir, wenn ihr das wollt. Bis dahin liebe Grüße an euch alle!
Diesen Beitrag hatte ich am 30.12. geschrieben aber aus verschiedenen Gründen nicht hochgeladen. Dies hole ich hiermit nach:
30.12. und so langsam sind wir
da!
So langsam beginnen wir, die
Karibik zu genießen! Nachdem wir anfänglich sehr damit beschäftigt waren,
irgendetwas zu reparieren, zu kaufen oder vorzubereiten haben wir uns
irgendwann vorgenommen, einen Gang runter zu schalten. Es kann ja eigentlich
nicht sein, dass wir inmitten von 30° warmen Wasser unter Sonnenschein und
Palmen in Buchten liegen und uns dabei gestresst fühlen… . Die tolle Kulisse
und das gute Wetter bringen noch keine Entspannung an sich irgendwie haben uns
ja immer selbst im Gepäck… . Das Runterkommen ging schrittweise. Nach dem
anstrengenden Le Marin sind wir in Richtung Fort de France, wobei wir in einer
sehr schönen Bucht geankert haben. In Fort de France dann noch etwas Aufregung,
da tatsächlich auch in Martinique der öffentliche Nachverkehr streikte. Da
zudem Hauptsaison war es gar nicht einfach, ein Auto zu mieten, was wir
brauchten, um Enno abzuholen. Das hat dann alles gut geklappt und Enno war
wieder bei uns! Das war toll, wir waren wieder komplett! Ich glaube, auch Enno
war froh wieder bei uns zu sein. Natürlich war er erst einmal stolz, allein von
Paris nach Martinique geflogen zu sein! Und Paris Orly ist nicht Tegel! Und
dann 9h ganz allein! Er hat es super gemeistert und kam um ca. 10cm gewachsen
in Fort de France an. Am nächsten Tag war Weihnachten, ein guter Termin, um
endlich den Lüfter für den Motorraum wieder zum Laufen zu bekommen. Mit Hilfe
des Autos und zwei sehr urigen Werkstätten, die noch Kohlebürsten feilen und
einbauen können läuft der Lüfter tatsächlich wieder. Danke auch an die
Unterstützung von Manfred, der in Berlin Kohlebürsten aufgetrieben hat.
Weihnachten haben wir dann zu
viert auf dem Boot verbracht mit selbstgebautem Weihnachtsbaum und einer Art
Raclett, unserem klassischen Weihnachtsessen. Enno hat tatsächlich
Weihnachtsstimmung und viele tolle Geschenke mitgebracht, wir hier waren da
irgendwie weit weg.
Am 25. Sind wir dann in eine
Bucht umgezogen, die angeblich von Schildkröten besucht wird und, siehe da, es
gab sie wirklich. Große, mittlere, kleine Wasserschildkröten schwimmen
gemütlich durch die Bucht und fressen das Seegras. Gut erkennbar an meist ein
oder zwei Schnorchlern, die sich das Ganze von oben anschauen. Caro und ich
haben unsere Yoga-Praxis wieder aufgenommen und uns dafür ein schönes Fleckchen
Strand gesucht. So langsam kommen wir der Entspannung näher! Dazu habe wir die
Wildest Dreams wiedergetroffen, ein amerikanisches Boot, mit dem wir seid
Tanger in Kontakt sind. Es fühlt sich gut an, Freunde zu treffen und sich
gegenseitig die Anstrengungen der Überfahrt zu erzählen.
Nach ein paar weiteren Tagen in
schönen Buchten brechen wir heute wieder nach Fort de France auf, wo wir morgen
auf eine tolle Sylvesterparty in den Straßen und am Strand hoffen.
Ich stelle wieder einmal fest,
dass Glücklichsein auch eine Entscheidung ist. Es geht uns deutlich besser seid
wir uns vorgenommen haben, uns auf uns und das Entspannen zu konzentrieren und
potenzielle Problembaustellen nicht dominant werden zu lassen. Es werden
dadurch nicht weniger aber sie verlieren an Bedeutung. Das ist sicher alles
leicht gesagt, wenn man in der Sonne durch die Karibik segelt aber ich für
meinen Teil sehe da Parallelen für mein Leben in Deutschland. Auch da geht es
mir prinzipiell gut und vielleicht gelingt es mir auch dort, die Probleme nicht
mein Lebensgefühl dominieren zu lassen.
Anyway, hier klappt es auf jeden
Fall zunehmend besser und auch Enno hat wieder eine gute Portion Urlaubsgefühl
mitgebracht. So langsam, rückt die Überfahrt in den Hintergrund und deren
Anstrengung verschwindet aus unseren Knochen.
Nun sind wir schon über eine
Woche in der Karibik und sind gefühlt noch immer nicht angekommen. Was ist
passiert?
Die ersten Tage waren in St.
Lucia waren einigermaßen entspannt. Am Tag der Ankunft waren abends gut essen
und vielen dann tot ins Bett. Caro und ich waren natürlich trotzdem früh wach,
vielleicht wegen der Zeitverschiebung, die man auch auf dem Boot merkt oder
einfach die senile Bettflucht. Der Tag wurde dem Bootputzen gewidmet. Caro
unter Deck, Abdullah und Lennard duschten die salzwassergetauchten Segel,
Korneel schrubbte das Deck. Ich war irgendwie bei allem ein bisschen dabei und
begann parallel, die Kommunikation zur Außenwelt wieder aufzunehmen. Abdullah
hatte unser Boot bereits verlassen, um in das lokale Hotel überzusiedeln (5*
wie er sagt). Dorthin lud er uns dann nach geputztem Boot ein und wir hingen
auf der Hotelterrasse ab, um Pizza aus dem Steinofen zu essen. Da es immer
wieder regnete verzogen wir uns teilweise unter Sonnenschirme und spielten bis
in die Dunkelheit Wizzard.
Für den nächsten Tag hatten wir uns Pause verordnet, was so halb klappte. Ich telefonierte mit meinen Freunden in Lanzarote bzw. Teneriffa, die uns das 2. Spiefall eingebaut hatten. Natürlich war keiner verantwortlich, jeweils der andere eventuell, aber sie selbst sicher nicht… . Natürlich ärgerte mich das und so schaffte ich es schlechte Laune und Anspannung zu diesem Thema zu konservieren. Diesmal ab mittags zu Abdullah auf die Terrasse bei der Poollandschaft, die, wie sich dann herausstellte, nur den Hotelgästen vorbehalten war. Anyway, wir aßen Pizza und spielten Wizzard. Nachdem Caro und ich uns aufgemacht hatten, um doch etwas vom Ort zu sehen, setzten Abdullah, Lennard und Korneel den Nachmittag mit intensiven und langandauernden Schachspielen fort. Der Ort, den Caro und ich entdeckten war eher kärglich aber es gab ein paar Häuser, die doch eindeutig karibischen Flair hatten. Bunte Hütten, Chicken & Fries aus einer Bretterbude mit ein paar Gartenstühlen, Bars mit Raggamuffin-Sound. Der Ausflug ging schon wieder an unsere physischen Grenzen, es war heiß und durch den ständigen Regen dazu schwül. Nachdem es gegen 18h schlagartig dunkel wurde, fanden wir noch unseren Weg zurück in die Marina. Die Marina in St. Lucia ist ziemlich groß und voll von ARC-Teilnehmern. Diese Atlantik-Ralley, bei der ca. 300 Boote mitfahren, teilweise im Regattamodus, teilweise einfach nur an der Gesellschaft anderer interessierte Cruiser.
Am folgenden Tag gab es wieder erste Aufgaben: Korneel bot sich an, in den Mast zu klettern und das Toplicht zu reparieren. Glücklicherweise war es nur die Glühbirne und glücklicherweise für mich wiegt Korneel nur 65kg und kann zudem klettern (es macht das Hochziehen erheblich leichter, wenn jemand dabei mit den Füßen unterstützt. Nachmittags fuhr Abdullah mit der Fähre in Richtung Martinique und wir raus in die Bucht vor der Marina. Irgendwie war uns die Marina zu voll, zu hektisch, zu laut, auch wenn wir natürlich die Süßwasserdusche. genossen haben. In der Bucht von Rodney Bay liegen ca. 200 Boote aber die Bucht ist groß. Es ist also kein Problem, einen Platz mit ausreichend Platz zu den Nachbarn zu finden aber es ist ziemlich anonym. Wir nahmen das Dingi in Betrieb, was die Überfahrt gut überstanden hatte und sich überhaupt nach den anfänglichen Querelen in Trogir als ziemlich widerstandsfähig entpuppte. Während ich das schreibe bekomme ich gleich Sorge, dass es nun bestimmt bald kaputt gehen wird – wir ihr seht bin ich noch nicht wirklich entspannt. In der Bucht war es dann eigentlich ganz nett, wir sprangen das erste Mal in das warme karibische Wasser und versuchten, ein paar Momente einfach mal nichts zu tun. Dabei half der Regen, der sich regelmäßig und von heftigen Böen begleitet über uns ergoss. Überhaupt war sehr viel Wind, was beim Ankern immer eine gewisse Anspannung mit sich bringt. Wir hatten ziemlich viel Kette draußen und daher dachte ich schon, dass der Anker hält. Trotzdem wurde ich nachts wiederholt wach und schaute besser mal nach. An Land tobte die National-Day-Party, begleitet von lautem Ragga-Sound. Durch den ablandigen Wind war das so, als ob ein mittelgroßer Standlautsprecher in unserem Cockpit stünde. Nachmittags viel es nicht so auf aber abends war es dann schon störend. Vor allem für Lennard, für den eine permanente Beschallung noch anstrengender ist. Am nächsten Tag fuhren Caro und ich morgens an den Strand, um unsere Yoga-Praxis wieder aufzunehmen, was super war! Wir waren zwar nach fast 5 Wochen Pause und Bootfahren extrem steif aber um so größer war der Effekt. Nachmittags dann unsere erste touristische Aktivität: Mit dem Dingi zu den beiden Hügeln am Ende der Bucht, auf der ehemals englische Soldaten nach französischen Soldaten Ausschau hielten. Und wahrscheinlich nach Piraten. Lennard zog es vor, auf dem Boot zu bleiben und Korneel verließ uns nach dem Ausflug, ebenfalls mit der Fähre nach Martinique.
Plötzlich wieder zu dritt an Bord
drohten wir, in alte Dynamiken zu verfallen. Lennard wollte spielen (Schach,
Wizzard, Skat oder was auch immer), Caro und ich hatten tendenziell immer
irgendetwas sinnvolles zu tun oder gar Ausflüge im Kopf. Vielleicht war es auch
einfach die immer noch vorhandene Anspannung, die sich entlud und dazu führte,
dass wir uns gleich mal heftig stritten. Keine Ahnung mehr worüber.
Nach einem weiteren Tag mit Yoga, Regen und Ragga vom Strand beschlossen wir, uns in Richtung Martinique aufzumachen. Im Reiseführer dann ein Schreck: Angeblich müssen Boote in Martinique EU-versteuert sein, da Martinique ja Frankreich ist. Wir dachten, dieses Thema nun seit den Kanaren hinter uns zu haben und waren sofort aufgeschreckt. Wir wollten Ruhe und keine neuen Stressfaktoren… . Also mit dem Dingi zur Marina, um im Internet zu recherchieren. Es wurde relativ schnell klar, dass sich der Reiseführer irrte und die MwSt für uns kein Thema ist. Trotzdem erst einmal Aufregung und ein blödes Thema. Ach ja, parallel weiter die Auseinandersetzung mit der Teneriffa-Connection zum Thema Spi-Fall, diesmal unter Einbeziehung eines Rechtsanwaltes und der Versicherung.
Am nächsten Tag dann los nach
Martinique. Dort kann man angeblich super einkaufen und sich für die weiteren
Karibiktörns vorbereiten. Zudem kommt ja Enno am 23.12. in Martinique an.
Der kurze Sprung rüber, es sind
nur 25nm, entpuppte sich als etwas aufregender als geplant. Kaum waren wir aus
der Rodney Bay raus bekamen wir den Passat mit 25-30kn und 3m Welle zu spüren. Diesmal
schräg von vorn, so dass der scheinbare Wind konstant über 30kn blies. Auch
wenn wir mit etwas Großsegel schneller gewesen wären, entschieden wir uns
dafür, nur mit einer leicht gerefften Genua zu fahren. Wir hatten sogar kurz
überlegt, das ganze Abzublasen und zurück in unsere Ankerbucht zu fahren aber
irgendwie fahre ich einfach nicht gern zurück.
So stand ich 4h am Steuer während Caro und Lennard das erste Mal etwas mit Seekrankheit zu kämpfen hatten. Nicht schlimm aber einfach extrem ermattend. So lagen beide zeitweilig am Boden des Cockpits, darauf wartend, dass dieser kurze heftige Ritt schnell vorbei ginge. Am frühen Nachmittag dann die Erlösung und wir fuhren in die Bucht von Le Marin, dem Yachtzentrum Martiniques. Was das heißt war dann auch schnell zu sehen. In einem ersten Ankerfeld lagen ca. 300 Yachten, weiter innen in der Bucht noch einmal ca. 1000 Yachten in zwei großen Feldern.. In der eigentlichen Marina dann noch einmal 830 Boote. In den Ankerfeldern war das Bild sehr gemischt. Alte, teilweise gesunkene Yachten inmitten von neuen und schicken Ozeanüberquerern. Viele schienen dauerhaft hier zu liegen und nicht alle waren bewohnt Wir suchten also einen Parkplatz bei nach wie vor starkem Wind und waren froh, irgendwo zwischen vielen Booten fest vor Anker zu liegen. Das ganze fühlte sich eher an, wie ein französischer Autobahnparkplatz. Im Hintergrund Neubauwohnanlagen und eine nicht enden wollende Masse an Fahrzeugen.
Abends erst einmal nichts mehr machen. Am nächsten Tag begann das Programm: Kohlebürsten für den Lüfter im Motorraum besorgen, neues Navilicht besorgen und eine Edelstahlbude finden, die uns einen Halter dafür anschweißt. Dazu die tollen Supermärkte auschecken, wo wir uns mit Proviant eindecken wollen.
Dieses Programm begleitet uns nun
seit 3 Tagen, der Edelstahlhalter ist angeschweißt, 28kg Wäsche sind gewaschen,
das Navilicht ist besorgt, der Ring am Schlitten der Genua-Baum-.Schiene ist
geschweißt und wir haben mit mindestens 10 Läden bzw. Menschen über Lüfter und
Kohlebürsten gesprochen. Inzwischen sind auch Opa Manfred in Berlin und Peter
im Allgäu mit am Start, um diese kleinen widerborstigen Bürsten in die Karibik
zu schaffen.
Nun ist es gleich 9.00h und wir
müssen unseren Parkplatz vor der Edelstahlfirma räumen. Dann noch schnell
Ankern, mit dem Dingi zum Supermarkt und das Boot mit Wasser, Cola, Bier, Milch
usw vollräumen. Die Supermärkte sind lange nicht so gut, wie wir uns das
vorgestellt hatten aber wir glauben mal den anderen Bootsfahrern, die sagen,
dass es in den anderen Inseln viel schlechter aussieht. Dann raus aus dieser
Parkplatzbucht und eine ruhige Bucht suchen. Und die Beine hochlegen. Und
endlich ankommen!
Ach ja: Der Bart ist ab!
Erstens wird es langsam komisch
beim essen und zweitens brauche ich wieder einen frischen Impuls!
WIe die meisten wissen, sind wir angekommen. Das Garmin Inreach hat im 10-Minuten-Takt mitgeteilt, wo wir gerade sind und es hat uns gut getan zu sehen, dass ihr in Gedanken und mit dem Mauszeiger bei uns ward. Vielen Dank für eure lieben Kommentare auf den letzten Beitrag und eure guten Wünsche. Einen besonderen Dank an meine liebe Nichte Clara und ihren tollen Kommentar. In diesem Beitrag versuche ich nun zu erzählen, was hinter der Positionsangabe passiert ist, so wie ich es erlebt habe. Vorab nur soviel: Die Überquerung des Atlantik in Ost-West-Richtung wird auch als Barfußroute bezeichnet, eigentlich muss man nur einmal Segelsetzen und schon schiebt dich der Passatwind rüber. Uns zumindest ging es anders und ich bin froh, dass ich täglich an euch geschrieben habe, da ich sonst vieles schon längst wieder vergessen hätte. Es kann sein, dass dass der Bericht recht technisch klingt aber das war es, was mich die meiste Zeit beschäftigt hat. Ich habe mich bemüht, Seglerlatein zu erklären und ich hoffe, dass es im Großen und Ganzen verständlich ist.
Ich habe beschlossen, diesen Artikel schnell und ohne lange Korrekturen hoch zu laden. Ich werde nach und nach Fotos, Videos und wahrscheinlich auch Korrekturen durchführen. Aber lieber schicke ich euch schnell etwas, als ewig am großen Wurf zu doktern.
Tag 1: DIe Abfahrt
Erst wollten wir früh morgens los, dann fand ich die Vorstellung, in Ruhe zu frühstücken und dann mit vollem Magen zu starten attraktiver. Aus der Ruhe wurde nicht viel: Abends hatten wir die Genua (Vorsegel, ca. 50m²) noch einmal runtergeholt, um die Schäkel (Metallverbinder aus Edelstahl, um Segel und allerlei andere Dinge zu befestigen) zu ändern, in der Nacht war mir dann eine andere Lösung eingefallen, woraufhin ich die Genua morgens noch einmal runterholte. Dann wollte ich die Backskiste (Stauraum unter den Cockpitbänken, da geht ziemlich viel rein) aufräumen und war nicht zufrieden mit der dort verstauten 2. Genua. Diese war meiner Meinung nach zu groß gewickelt und nahm damit zu viel Platz weg. Also noch einmal raus, die ca. 40kg schwere Genua auf den Steg wuchten, ausbreiten und neu wickeln. Mittendrin fing es an zu regnen, wir packten also eine leicht feuchte Genua ein. Zeit zu fahren, eh mir noch weitere, tendenziell sinnlose Dinge einfallen, die man unbedingt machen müsste.
Das Ablegen läuft vorbildlich, wir nehmen verschiedene Leinen zur Hilfe und kommen gut aus der engen Gasse. Im Vorbecken fällt mir das Motorgeräusch auf, was komisch klingt. Es kommt kein Wasser aus dem äußeren Kühlkreislauf! Hätte Korneel das Problem nicht sofort identifiziert und bei laufendem Motor gelöst, hätten wir wieder festmachen müssen – frustrierende Vorstellung.
Dann endlich raus aus dem Hafenbecken, rein in die Kabbelwelle von 1-2m aus verschiedenen Richtungen. Inzwischen ist es 14h, in der Bucht von Santa Cruz ist wenig Wind, es frischt auf, sobald wir aus der Bucht raus sind. Wir sind nun doch deutlich später dran als geplant und die heiße Zone, die Düse zwischen Gran Canaria und Teneriffa erreichen wir bei Sonnenuntergang. Es frischt auf bis auf 34kn Wind (gute 7 Bft), die Welle wird höher und wir versuchen, die Linie zwischen Düse und Windschatten hinter Tereriffa zu finden. Wir kommen etwas zu weit nach Westen und beim Halsen verlieren wir fast unseren Genua-Baum. Er hatte sich vorn und hinten gelöst und baumelte am Spinnakerfall gehalten frei über dem Vordeck. Ein 15kg-Monster, 4m lang bei 2-3m Welle und 30kn Wind – super! Geht ja gut los… Wir fangen den Baum schnell wieder ein und danach bleibt er erst einmal an Deck an der Reling verstaut. Ich war eh müde nach der Vorbereitung, hatte Kopfschmerzen und fühlt mich etwas mulmig durch die Welle, d.h. überhaupt keine Stimmung, um mit dem besagten Baum im Dunkeln auf dem Vordeck zu experimentieren. Entsprechend war unser Bewegungsradius etwas eingeschränkt, da wir nicht mehr platt vor dem Wind fahren können. Heraus kommt ein leichter Zick-Zack-Kurs bei teilweise gereffter Genua in ziemlich ungemütlichen Bedingungen. Durch den defensiven Ansatz machen wir weniger Tempo, als bei dem Wind möglich gewesen wäre, was sich später eventuell noch rächen würde.
Später fällt der Hydrogenerator (Gerät, was etwas wie ein umgekehrter Elektroaußenbordmotor aussieht. Ein Propeller wird ins Wasser gehalten und erzeugt dadurch Strom) dadurch auf, dass er zwar wenig Strom erzeugt, dafür aber viel Krach macht. Ich rufe am Sonntag abend in Remmingen, Süddeutschland an, wo der Entwickler und Produzent des „SailingGen“ wohnt. Ich spreche ihm auf Band und er ruft tatsächlich wenig später zurück und teilt mir Lösungsansätze mit. Toller Service, danke an Prof. Armin Horn aus Remmingen! 😊
In der Nacht schlafe ich wenig: Der Start mit rumfliegendem Baum, heftiger See und kaputtem Hydrogenerator macht mir kein gutes Gefühl. Zudem habe ich das Gefühl, als Skipper in der ersten Nacht nicht einfach in meiner Kabine verschwinden zu können, sondern gerade auch gegenüber den neuen Crewmitgliedern Präsenz zeigen zu müssen.
Tag 2:
Ich beginne also nach dem Aufstehen, vor dem ersten Kaffee, mit Kopfschmerzen den Hydrogenerator zu reparieren. Ich hatte damit gerechnet, dass wir unseren Strombedarf so ungefähr mit Solar und Hydrogenerator decken können – nun waren wir schon nach der ersten Nacht runter auf 66%, nahe der Schmerzgrenze, bei der ich den Motor als Ladegerät dazuschalten wollte – als worst case aber nicht am ersten Tag… . Glücklicherweise stellt sich schnell raus, dass das Problem beim Stecker liegt, für den ich mir ebenfalls glücklicherweise noch von Korneel einen Ersatzstecker hatte mitbringen lassen. So musste ich nur noch tauschen. Eigentlich einfach, zumindest für einen Elektriker. Bei Kopfschmerzen, wenig Schlaf, einem stark schwankenden Boot und begrenzten Elektrikerfähigkeiten nicht so einfach. Ich glaube ich habe fast 2h gebraucht, um den Stecker vernünftig neu zu montieren. Er sollte ja diesmal auch halten und ich wollte es ganz genau und ganz richtig machen. Meine Crew saß um mich herum und trank Kaffee, hielt sich netterweise mit Kommentaren zurück und ich versuchte, meine handwerkliche Begrenztbegabung nicht zu offensichtlich werden zu lassen. Wo doch jeder weiß, dass ein Hochseeskipper alles können muss, sein Boot wie seinen Westentasche kennt und sofort mit einem Handgriff das richtige Werkzeug in der Hand hat.
Ja, es beschäftigt mich, ob ich
in den Augen von Korneel und Abdullah auch ein qualifizierter Skipper bin.
Eigentlich habe ich ständig das Gefühl, nicht erfahren genug zu sein und
Abdullah ist viel erfahrener als ich und auch Korneel hat viel Erfahrung. Ich
weiß, dass diese Gedanken nicht zielführend sind, trotzdem beschäftigen sie
mich anfänglich.
Der Hydrogenerator läuft
tatsächlich wieder und damit ist eine erste Hürde genommen. Ich versuche mich
etwas zu entspannen und aus meinem „ was-alles-schiefgehen-kann Modus“
herauszukommen. Ich versuche dementsprechend auch entspannt damit umzugehen,
dass wir nur mit der Genua nicht so furchtbar schnell sind. Unseren Drachen
wollte ich noch im Sack lassen, bis ich mich fitter fühle.
Unsere Wetterleute sagen leider
etwas anderes: Es ist klar, wenn wir nicht schneller werden, laufen wir Gefahr,
in die hinter uns lauernde Flaute zu geraten… . Also Planänderung und Drachen
aus der Kiste. Lennard und ich und schließlich wir alle arbeiten ca eine
Stunde, bis das Segel gesetzt ist, mir läuft der Schweiß aus allen Poren.
Erschöpft falle ich die Cockpitkissen.. Trotzdem ist es schön, das Segel zu
sehen, das Boot läuft ruhiger und schneller – obwohl der Wind nachlässt.
Später stört mich ein Geräusch am Einschlafen. Es dauert nicht lange um rauszufinden, dass es das Spinnakerfall (Fall ist eine Leine, mit der man ein Segel hochzieht) ist, an dem der Drachen hängt. Irgendwo muss das dran schaben und was schabt, geht kaputt. Runterlassen und nachschauen ist aufwendig, alle sind kaputt und schlafen teilweise. Lennard und ich beschließen, dass Fall erst einmal dichter durchzusetzen, wir hatten anfänglich noch ca. 20cm Luft gelassen. So würde zumindest die Position, an der es scheuert verändert und damit hoffentlich nicht durchgescheuert. Erfreulicherweise ist das Geräusch danach weg und ich entscheide, das Herunterholen auf den nächsten Tag zu verschieben. In der 2. Nacht schlafe ich etwas besser, die See ist ruhiger und der Wind schwächer.
Tag 3:
Ich wache erholter auf, die Kopfschmerzen sind so gut wie weg, die Sonne scheint, ich höre Caro im Cockpit lachen: Das fühlt sich nach einem tollen Tag an! Tatsächlich geht alles entspannt voran, Abdullah steuert einige Stunden, was er hervorragend kann. Mittags holen wir den Drachen vom Himmel, was ziemlich gut klappt und, siehe da, das Fall ist fast vollständig durchgescheuert. Wie Lennard treffsicher bemerkt hingen wir am seidenen Faden… . Glück gehabt! Während ich das Fall kürze und mit einem zusätzlichen Schutzmantel versehe taucht eine Familie von Delphinen auf, die neugierig um unseren Bug herumschwimmen und sogar hin und wieder aus dem Wasser springen. Caro identifiziert 5 Tiere, 2 große und drei kleine.
Nun ist der Drachen wieder am
Himmel, Lennard und Korneel spielen, Caro schläft, Abdullah steuert und gerade
höre ich, dass wir die erste Angelleine auswerfen werden… 😊.
Das Leben ist schön und so kann Ozeansegeln weitergehen. Nur die Flaute drück
in unserem Nacken und wenn es doof läuft, holt sie uns ein. Dann können wir
wählen zwischen Segel runter und motoren oder Segel runter und Abwarten –
beides nicht so toll.
Tag 4: Ups and downs
Gegen Mitternacht ist es dann so weit: Der Drachen flappt nur noch herum, der Wind ist bei 4kn – da geht auch für das schicke Segel nichts mehr. Da unser Wettersupport angibt, dass weiter südlich mehr Wind ist, entscheide ich, den Motor anzuschmeißen und Strecke nach Süden zu machen. Fast wie in Mittelmeernächten tuckern wir unter sternklarem Himmel dahin. Wäre nicht das mulmige Gefühl der begrenzten Dieselreserven, wäre es einfach nur schön. Ich habe Wache von 00.00h – 02.00h und schlafe danach gut ein. Nach ca. 2h wache ich wieder auf und versuche ein Geräusch zu identifizieren, was mich wahnsinnig macht. Rolllerollerolle – klack- rollerollerolleschrabbb – klatsch. Bei jeder Bootsbewegung bewegt sich irgendetwas mit und klatscht dann irgendwo gegen. Nur was? Es kommt von oben aber im Cockpit ist nichts (Ich schlafe dicht unter dem Cockpit). Ich stehe in dieser Nacht 3x totmüde auf, um die Ursache des Geräuschs zu finden und schlafe dann doch unverrichteter Dinge ein. Es ist nicht so sehr dieTatsache, dass da irgendetwas rollerollerolle-klack macht, es ist die Vorstellung, dass da gerade irgendetwas kaputt geht. Irgendetwas, was vielleicht wichtig ist und auf das wir auf den verbleibenden 2.500nm angewiesen sein werden. Nun, mal sehen, ob ich in dieser Nacht weitersuchen darf.
Morgens dann erneut Segel setzen,
der Wind ist wieder bei 8-10kn. Die Laune ist gut und wir kommen einigermaßen
voran, bis der Wind erneut einschläft. In Racingmanier haben wir noch einige
Zeit versucht, Boot und Segel stabil zu halten, in dem wir uns alle auf die
Lee-Kante setzten und Abdullah mir Ruhe und Erfahrung steuerte. Irgendwann war
es dann aber die Erkenntnis, dass dahinten, wo die Wolken zu sehen sind wohl
Wind sein muss. Und wenn wir dahin wollen, müssen wir motoren anstatt mit 2,8kn
dahin zu dümpeln. Bevor wir den Motor anschmeißen gibt es noch ein Bad im
Atlantik, alle springen ins Wasser, was angenehm erfrischend und trotzdem nicht kalt ist. Danach eine
traumhafte Ciche aus Caros Zauberküche und allen geht es wieder super. Nach
kurzem Motoren kommt tatsächlich wieder Wind und wir beschließen den Drachen
erneut zu setzen. Nun aber sind einige Leinen des Kites verhakt und wir holen
ihn schnell wieder runter. Bei eingehendem Untersuchen stellen wir fest, dass
einige Leinen gerissen sind, andere verknotet, das einige Nähte in Auflösung
sind und andere Tuchstellen durchgescheuert sind. Ziemlich erschreckend, wie
mitgenommen das Segel bei genauer Betrachtung schon ist. Erneut mache ich mir
Sorgen, da dieses Segel der Motor für die kommenden 2.500 Seemeilen sein
sollte… .
Wir geben unser bestes, lösen
Knoten, nähen Nähte, tapen Scheuerstellen und entfernen lose Enden. Beim
erneuten Setzen steht er tatsächlich wieder, allerdings sehe ich jetzt auch,
wie unsauber der eigentliche Kite steht. Erstaunlich, dass das Segel überhaupt
noch so gut steht und zieht. Er fällt ein, wenn wir höher als 120° am Wind
fahren, da die Backbordseite des Kites ziemlich lediert ist. Das könnten wir
wahrscheinlich verkraften, da wir den Wind meist von hinten haben werden, wenn
denn der Rest so lange hält… .
Nun segeln wir nach Südwesten,
hoffentlich Wind und Sonne entgegen, immer auf der Kante von Flaute und Wind.
Das ist zwar ziemlich anstrengendes Steuern und nicht wirklich schnell, aber im
Moment bin ich ganz froh, dass der Drachen nicht übermäßig von Starkwind
belastet wird.
Meine Stimmung ist dadurch etwas
gedrückt, der Drachen war so etwas wie der Joker unserer Überfahrt. Auf ihn zu
verzichten oder zu versuchen auf Kapverde einen Drachenbändiger zu finden sind
wenig aufbauende Gedanken.
Tag 5: Fische, Fische, Fische
Der Drachen tat sein Bestes, um uns voran zu bringen und lange Zeit fuhren wir ca. 4Knoten bei angezeigtem wahren Wind von 3,1 Knoten. Da wir Vorwind fahren ist das nicht möglich, wie soll der Wind ein Boot schneller vor sich herschieben, als er sich selbst bewegt. (Anmerkung: Das geht auf Amwindkursen, wenn mit der Strömungsenergie gesegelt wird, nicht aber, wenn man platt vor dem Wind fährt). Die einzige Lösung, die ich mir vorstellen kann ist, dass der Windmesser bei niedrigem Wind nicht sauber läuft. In jedem Fall ist das Segel unglaublich und treibt auch bei geringstem Wind gut voran. Gegen 22h ist allerdings Ende. Der Wind ist bei 2kn, das Segel beginnt einzufallen und wir dümpeln nur noch. Wir holen es also ein und obwohl ich keine große Lust zum Motoren habe, starten wir den Diesel. Der Grund ist, dass hinter uns noch immer die Flaute lauert, vor uns aber ein Windfeld liegt. Wenn wir also warten, kann es sein, dass wir für länger hängen bleiben während uns eine weitere Motorstrecke zurück in den Windgürtel bringen könnte.
Wieder begleitet mit das
rollerollerolle-klack aber diesmal mit Betonung auf dem Klack. Diesmal
untersuche ich auch wieder den Motorraum und stelle fest, dass es zu warm ist.
Wenn ich die Klappe meiner Kabine zum Motorraum öffne kommt mir eine heiße
Wolke entgegen und das ist eindeutig nicht normal. Nach weiterem Forschen
identifiziere ich den Lüfter, der nicht läuft und damit die heiße Luft nicht
abtransportiert. Ich räume also meine Kabine, um die besagte Klappe geöffnet zu
lassen und zur neuen Motorraumabluftöffnung zu erklären. Meine Kabine nimmt
sofort die Eigenschaften eines Motorraumes an, schön warm, stickig,
Dieselgeruch. Ich öffne meine beiden kleinen Luken und ziehe in Caros Kabine,
die gerade Wache hat. Die Kabine ist weit weg vom Motor und ich schlafe wie ein
Baby sanft in den Wellen schaukelnd.
Morgens gibt es erneut Wind, wir
untersuchen ein weiteres Mal den Drachen und versuchen Verknotungen im Kite zu
lösen, dann geht es weiter, diesmal in Richtung West-Süd-West. Es ist ruhig,
sonnig, und die Stimmung ist an Bord ist gut. Nach einem leckeren Mittagscurry
von Caro bereitet mache ich mich an den Versuch, den Motorraumlüfter zu
reparieren. Während ich mit schmierigen Fingern mit dem Kopf im Inneren des Bootes
stecke ertönt der freudige Ruf Korneels: Ein Fisch, ein Fisch! Tatsächlich hat
sich ein Mahi-Mahi in Abdullahs Köder verbissen. (Es gibt eine klare Trennung:
Die Backbordseite ist meine Fishingline, mit dem Angelzeug, was ich gekauft
habe, die Steuerbordleine gehört Abdullah). Natürlich fängt Abdullah den ersten
Fisch, den als echter Qatari (einer von insgesamt nur 290.000 Mitgliedern der
vielleicht 25 Kernfamilien Qatars) ist er zwar auch am Segen des Öl- und
Gaswohlstandes des Landes beteiligt aber eben auch der Sohn einer
Fischertradition. Er weiß also nicht nur, wie man einen Fisch ködert, sondern
auch, wie man ihn aus dem Wasser zieht, tötet und zu etwas leckerem auf dem
Teller verarbeitet! Wir lassen also die Badeplattform herunter und wässern diese
intensiv mit Meerwasser, damit es später keine Flecken auf dem Teackdeck gibt.
Währenddessen lassen wir den Fisch zappeln bis er müde wird. Wenn er schon an
der Oberfläche schwimmt ziehe ich den Fisch heran, wobei ich darauf achte, dass
konstant Zug auf der Leine ist, da sich sonst der Fisch vom Haken befreien
könnte. Am Boot ziehe ich ihn mit einem Ruck heraus und er landet in Abdullahs
Netz und wir dann sofort in ein vorbereitetes Laken gewickelt. Ist es dunkel,
wird der Fisch ruhig. Und tatsächlich liegt ein ordentlicher Mahi-Mahi ruhig in
unserem Laken eingewickelt. Wir warten eine Weile, dann kommt das
Schneidebrett. Der Fisch wird an den Kiemen aufgeschlitzt, dann ausgenommen.
Noch mehr Einzelheiten erspare ich euch an der Stelle, auch, weil ich zu diesem
Zeitpunkt wieder an meinem Ventilator hänge, den ich zwar nicht reparieren
konnte aber wenigstens wieder verschließen will.
Abdullah reinigt den Fisch, die
Badeplattform und die Reste landen im Meer. Dann wird er mit Zwiebeln und
anderem und vor allem mit den von Abdullah mitgebrachten arabischen Gewürzen
gefüllt, mit Alufolie eingewickelt und in den Ofen geschoben. Obwohl das Mittagscurry
noch nicht lange her ist genießen wir nach ca. 45 Minuten einen zarten und
superleckeren Nachmittagssnack von orientalischem Fisch. Danke Abdullah!
Später beschließen wir zu halsen,
was einigermaßen aufwendig ist, weil wir etliche Leinen umlegen müssen. Wir
wollen doch wieder nach Süden, da es so aussieht, als könnte uns die
Schwachwindzone, die dadurch entsteht, dass das Azorenhoch eben nicht auf Höhe
der Azoren liegt sondern weit darunter, noch erhalten bleiben. Auch Stefan,
unser Wettersupport, der auch noch durch Julia vom Boot Vesna in Lanzarote
verstärkt wurde, empfiehlt eindeutig, weiter Süd zu machen und er ist die Route
immerhin schon einmal gefahren. Ich habe Sorge, dass diese Schwachwinddümpelei
zum Dauerthema wird und wir gehen daher direkt auf Kurs 180°.
Kaum ist die Halse abgeschlossen, sehe ich, dass auch an meiner Leine ein Fisch zappelt. Jetzt schon geübt bereiten wir alles vor, nur das Netz lassen wir weg, da sich darin doch nur der Haken verfängt. Ich lasse den Fisch müde werden, dann ziehe ich Ihn an Bord. Wow, noch ein Mahi-Mahi aber diesmal die große Schwester! Der Fisch hat bestimmt 5kg und straft damit meine unkende Familie Lügen, die insgeheim davon überzeugt war, dass ich nie einen Fisch fangen würde! Lennard ging sogar soweit mit mir auszumachen, dass er für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich doch einen fangen würde, genauso viel von diesem Fisch essen würde, wie ich! Entsprechend betreten war Lennards Gesichtsausdruck als wir dieses Reisenteil an Bord zogen 😮 .Er hoffte bis zur letzten Sekunde, dass das Tier von Haken hüpfen wurde aber nix da, der Fisch landete an Bord und in Abdullahs Fischverarbeitung. Diesmal wurde das Tier filetiert, er war viel zu groß für unseren Ofen. Obwohl damit viele verschwendet wurde füllen wir doch zwei Gefrierbeutel mit Fischfilet und freuen uns auf zwei tolle Fischmahlzeiten. (Na ja, vielleicht freuen sich nicht alle 😊). Insgeheim habe ich mir allerdings schon vorgenommen, Lennard zumindest von einigen Mengen seiner Abmachung zu entbinden, da Abdullah ja zumindest die Verarbeitung des Fisches übernommen hatte.
Tag 6:
Auch der nächste Morgen beginnt
mit Fisch. Nicht an der Angel, denn diese wird erst wieder ausgeworfen, wenn
der Fisch gegessen wurde. Etliche Delphine begleiten uns, schwimmen neben uns,
spielen in der Bugwelle, springen aus den Wellen. Ca 20 Tiere tummeln sich um
uns und verheißen Gutes für den Tag. Wir werden wieder Halsen und uns wieder
mehr in Richtung Westen halten. Wir haben nun 20° 30´ nördlicher Breite
erreicht und so langsam sollten wir damit in einer sicheren Passatzone sein. Zu
weit südlich ist auch nicht gut, da wir dann die Option verlieren am Rande des
Passats zu fahren und damit die Windstärke etwas zu regulieren.
So gut fing der Tag an, dass Passatsegeln begann gerade, richtig Spaß zu machen. Wir fuhren in Richtung SSW, der Wind frischte etwas auf und wir machten endlich die Geschwindigkeit, die ich eigentlich bei der Berechnung der Distanzen im Kopf hatte. Je nach Welle fuhren wir 6-9 Knoten bei 15-20kn Wind. Das Steuern war etwas herausfordernder geworden, da die Wellen nun höher waren aber der Drachen hielt uns großartig in der Spur. Dann ein Knall, kurz danach noch einer und der Drachen segelte langsam vor uns ins Wasser. Caro und ich schreien laut auf, die anderen stürmend an Deck und wir versuchen die 169m² voll Wasser gesogenen Tuches wieder an Bord zu hiefen. Alle arbeiten gut zusammen, und Stück für Stück bekommen wir den traurigen Drachen an das Schiff. Ich sehe einen großen Riss, der Kite hat sich in ein dickes Knäuel aus Leinen und Stoff verwandelt. Schließlich ist er wieder an Bord, eine große nasse Wurst, die wir quer durch den Salon bis in Lennards Koje legen. Wir verabschieden uns bald von dem eigentlichen Plan, den Drachen wieder zu reparieren auch weil wir sehen, dass nicht nur das Fall gerissen ist sondern das neu installierte Rad, über das das Fall aus dem Mast läuft komplett aus dem Mast gebrochen ist. Ein kleines Originalersatzteil der renommierten Firma Seldén, 168 EUR teuer bricht bei der ersten Bö mit 20 kn. Scheinbar ist billiger Alu-Druckguss verwendet worden, der einfach nicht hält… . Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie enttäuscht ich bin. Der Drachen war unser Motor über den Atlantik, er hat das Boot stabilisiert, so dass wir nicht gerollt sind, er war einfach zu steuern und er war schnell. Auch vor Leichtwind mussten wir keine Sorge haben, da er schon bei der leichtesten Luftbewegung super Vortrieb brachte. Zudem bekomme ich das Gefühl, dass so langsam alles kaputt geht. Ach ja, der Drachen hat auch eine unserer Navigationsleuchten abgerissen, so dass wir nun ohne grüne Steuerbordleuchte fahren. Erst der Motor beim Start, dann der Hydrogenerator, dann der Ventilator im Motorraum und nun das Herzstück: Der Drachen.
Es dauert schier endlos, bis wir
den Drachen in den Bugraum befördert haben und eine Genua gesetzt haben.
Diesmal mit Baum und mehreren Leinen zu dessen Stabilisierung, es wäre so
schön, wenn das einfach funktionieren und halten würde. Natürlich schaue ich
argwöhnisch auf die Mastschiene, an die der Baum eingehakt ist und die uns
schon einmal um die Ohren geflogen bzw gebogen war.
Wir sprechen uns Mut zu: Es ist
niemandem etwas passiert, wir haben Ersatzlösungen, viele fahren ohne so ein
Segel über den Atlantik. Abdullah macht ein tolles Fischessen aus dem, was noch
von dem Mahi-Mahi sonniger Tage übrig war. Trotzdem fallen alle nach dem Essen
ziemlich wortlos in ihre Kojen.
Ich liege in meiner und lausche
den vielen Geräuschen. Im Moment ist es der Hydrogenerator, der mich nicht
schlafen lässt. Da wir stark Rollen, wird er immer wieder aus dem Wasser
gehoben und taucht dann in voller Fahrt wieder ein. Ich denke darüber nach, wie
lange er das wohl mitmachen wird und beschließe, ihn aus dem Wasser zu nehmen.
Tag 7:
Nach einer rollenden langsamen
traurigen Fahrt setzen wir morgens das Großsegel und fahren nun Zick-Zack vor
dem Wind, da wir nicht mit beiden Segeln Schmetterling vor dem Wind fahren
können. Caro bemüht sich, uns alle aufzuheitern und die braunen Bananen zu
verwerten und macht Pfannkuchen…. Bis ich ein lautes „Sch…“ höre und sich der
Teig quer über die Arbeitsplatte ergossen hat. Caro ist kurz vor dem heulen,
absolut nichts scheint gerade zu klappen. Ich kann mir gut vorstellen, wie ihr
zumute ist. Mir geht es seit dem Fall des Drachen die ganze Zeit so. Ich bin
traurig, müde und enttäuscht. Neben mir brüllt der Motor, mit dem ich nun die Batterien
wieder auflade, natürlich mit offener Motorraumklappe.
Tag 8:
Wir fahren weiter Zick-Zack. Da
wir das Groß auf Grund der gefeilten Salinge nicht wirklich weit öffnen können
(Salinge halten die Wanten vom Mast ab. Unsere verlaufen nicht rechtwinklig zur
Fahrrichtung sondern sind leicht nach hinten geneigt. Daher können wir das
Segel nicht weit öffnen, ohne dass dieses stark an den Salingen scheuert). Wir
können kaum mehr als 34° vor dem Wind fahren, entsprechend enttäuschend unser
Emal: Bei 129nm auf der Logge (traurig genug) haben wir nur 80nm in Richtung
Barbados gut gemacht. Immerhin war der Kurs durch das Großsegel ruhiger und der
Hydrogenerator hat gut Strom produziert.
Tag 9:
Wir beschließen die 2. Genua aus
der Kiste zu holen und diese anstelle des Großsegels zu setzen. Nachdem ich
verschiedene komplizierte Möglichkeiten durchdacht habe schlägt Abdullah vor,
das Segel einfach frei fliegend zu setzen. Das heißt wir fädeln das Segel nicht
in die Schiene des Vorstaks ein, sondern befestigen nur das vordere Schothorn
am Ankerpunkt des Genakers und ziehen das Segel mit dem Spifall hoch. Das geht
erstaunlich gut, das Segel steht ziemlich stabil. Später setzen wir noch den
Großbaum ein, um das Segel nach außen zu stabilisieren und schon fällt es nur
noch selten ein. Abdullah fängt noch einen Fisch zum Abendessen und Lenny
bereitet mit wenig Unterstützung ein Kartoffelgratin zu.
Trotzdem schlafe ich nicht gut.
Ich schrecke jedes mal auf, wenn das
Segel schlägt, wir rollen stark, da das Großsegel nicht stabilisiert und der
Wind nur schwach ist. Wir produzieren nur wenig Strom, da der Hydrogenerator
durch die Wellen immer wieder aus dem Wasser gehoben wird und bei 4kn Fahrt eh
nicht viel dabei rum kommt. Gegen vier
Uhr morgens weckt mich Caro, da mitten auf dem Atlantik ein großer Fischtrawler
seine Kreise zieht und völlig unberechenbar im Kurs sehr nah uns uns
herankommt.
Bei uns allen liegen die Nerven
etwas blank. Ich habe das Gefühl, dass wir im Schneckentempo voranschaukeln und
ich nur darauf warten muss, bis wieder etwas kaputt geht. Ich hatte schon da
Bild von Jonny Depp aus „Piraten der Karibik“ vor Augen, als er vom sinkenden
Schiff von der Mastspitze das Land betritt. Angst vor dem Sinken habe ich nicht
aber die Zuversicht, dass alles halten wird noch weniger.
Ich sehe völlig neue Komponenten
einer Atlantiküberfahrt. Es sind nicht so sehr die Stürme und großen
Katastrophen sondern das Durchhalten trotz kleinerer Katastrophen. „Mamma,
Mamma, ich will nicht nach Amerika – seih ruhig und schwimm weiter!“. Irgendwie
kommt mir dieser Witz aus Schultagen in den Sinn. Abdullah und Korneel sind
super – beide sind hilfsbereit, umsichtig, fleißig und bemühen sich um gute
Laune. Ich bin wahrscheinlich der, mit der übelsten Laune auch wenn ich mich
bemühe, diese nicht so dominant werden zu lassen. Ich habe einen SMS-Verkehr
mit der Firma begonnen, die das Spi-Fall montiert hat. Nicht sehr überraschend,
dass die der Meinung sind nicht verantwortlich zu sein und auch die Firma
Selden meint, dass ich natürlich dieses Spiefall nicht mit einem Parasailor
nutzen könne. Irgendwie auch klar, dass die nicht Hurra schreien und nur nach
meiner Kontonummer fragen. Trotzdem ärgere ich mich über jede Nachricht und
halte damit meine Wut am köcheln anstatt sie einfach über Bord zu werfen.
Insofern ist es mehrfach gut, dass Korneel und Abdullah hier sind, da ich mich
so zwingen muss, meine schlechte Laune nicht an meiner Crew auszulassen.
Gemeinerweise bin ich bei meiner eigenen Familie weniger rücksichtsvoll.
Wir haben jetzt noch 1780nm vor
uns, wenn man den direkten Weg rechnet. Realistisch sind wahrscheinlich 1900nm,
also gut 3500km. Besser nicht darüber nachdenken, ich freue mich, wenn wir
endlich die Hälfte der Strecke hinter uns haben. Das dürfte in ca. 3 Tagen
soweit sein. Irgendwie hoffe ich, dass es danach schneller voran geht.
Auf der anderen Seite: Die Sonne
scheint, wir haben eine angenehme Briese von ca. 15kn, ich sitze selbst abends
in Shorts und T-Shirt an Deck und wir fahren friedlich dahin. Das Gewitter ist
in meinem Kopf und nicht in der Realität und da sollte ich doch in der Lage
sein, das vorbeiziehen zu lassen!
10. Tag
Natürlich wache ich mit dem Gedanken an das gebrochene Fall auf und beschließe das auch mit mir Korneel und Abdullah zu besprechen. Danach beschließe ich, alles aufzuschreiben und meiem Freund Kristian zu schicken. Als guter Jursit hat er vielleicht eine Idee, wie man damit am besten umgeht. Danach geht es mir auf jeden Fall etwas besser und Ich beschließe, ein Porrage mit viel Nüssen darin zu kochen. Schade eigentlich, dass keiner so richtig dabei ist aber selbst ist der Mann, dann mache ich es halt für mich! Caro ist ein wenig mit und ergänzt es mit frischer Mango, was es erst so richtig lecker macht. Die Nüsse habe ich vorher in Honig caramelisiert, ihr seht also, dass wir hier auf hohem kulinarischen Niveau leben! Das gilt vor allem für Caros Kreationen, die teilweise vorgekocht, teilweise unterwegs gekocht einfach super sind. Das hat Null den Eindruck von einfacher Bordküche, nein wir essen Lasagne, Gratins, frischen Fisch, Salate und vieles mehr. Wir essen auch relativ wenig Süßzeug, weswegen wir auf dieser Reise wohl eher nicht zunehmen werden.
Ich beschließe dann, den Drachen aus seiner traurigen Lage, zusammengeküllt und voll Salzwasser zu befreien und zu trocknen. Caro und ich ziehen ihn Stück für Stück an Deck, lassen ihn trocknen, wieder ein Stück usw. . Als der Teil des Kites kommt bekommt er extra-Fürsorge. Ich halte jeden Abschnitts des Kites in den Wind bis er trocknet und erstaunlicherweise lösen sich auf diese Weise auch die Leinen wieder. Lennard hilft mir dann, die gerissenen Leinen zu entknoten und zu dokumentieren, welche Leinen fehlen. Leider finden wir einen ziemlich großen Riss im Segel, der wohl dabei entstanden ist, als das Segel unsere Navigationsleuchte abgerissen hat, die immerhin mit scharfkantigem Edelstahl angeschweißt war. Trotzdem sitzeich inmitten meines Segels und finde das Leben wieder schön. Das unwürdige Knäul wird langsam wieder ein stolzer Drachen und ich sehe eine Chance, dass wir ihn auf dieser Reise noch einmal einsetzen können. Kurz schießt mir durch den Kopf, dass bisher jedes Mal, wen ich anfing mich zu entspannen die nächste kleine Katastrophe folgt aber das kann sich ja auch mal ändern!
Lennard bringt Korneel und Abdullah „Wizard“ bei, ein spannendes Kartenspiel, dann essen wir die schon erwähnte Lasagne. Sehr lecker, große Bordküche. Dann der leicht schmierige Abwasch in kaltem Salzwasser und jeder geht so seinen Verrichtungen nach. Korneel hat Wache, ich komme danach und bleibe wach. Lennard und Caro versuchen sich etwas auszuruhen. Der Wind weht mit ca. 15kn und treibt uns ganz gut an. Nicht schnell aber in die richtige Richtung 😊. Ein heftiger Knall reißt uns aus unseren Gedanken. Wir sehen die 2. Genua ins Wasser fliegen, eigentlich ahnen wir es eher, denn es ist stockdunkel. Wir schreien die komplette Crew an Deck, Abdullah ist als erster vorn beim Segel (natürlich ohne Schwimmweste oder Life-Belt), Korneel und Lennard folgen etwas langsamer aber dafür mit Schwimmweste! Wir rollen die noch stehende Genua ein und ziehen das Segel wieder aus dem Wasser. Das kennen wir ja jetzt schon… Die Genua ist viel kleiner als der Drachen dafür ist das Tuch viel stärker. In Summe ist sie wahrscheinlich sogar schwerer. Während des Bergens denke wir alle daran, ob dies nun wohl unser 2. Spi-Fall war, was sich verabschiedet hat und damit die Träume auf den Einsatz weiterer Vorsegel, sei es Genua oder Drachen ein für allemal zu nichte macht. Ich fühle Korneels Anspannung, als wir die Spitze des Segels aus dem Wasser ziehen, die uns sagen wird, was der Grund für den Absturz war… Ah, das Fall ist nicht gerissen! Der Schnappschäkel ist gebrochen! Dieser besteht aus 2 Teilen, die gegeneinander drehbar sind und diese Verbindung ist gebrochen. Das hat keiner von uns vorher gesehen aber bis auf Abdullah ist ja auch noch keiner über den Atlantik gefahren. Das heißt nun also, dass der andere Teil des Schnappschäkels noch am Fall in der Mastspitze hängt und das Fall damit nicht im Inneren des Mastes verschwunden ist. Wir leuchten mit unserer Mega-Taschenlampe, können aber nichts weiter sehen.
Wir legen die Genua zusammen,
inzwischen sind wir ganz gut darin, große Tücher auf wenig Raum zu bewegen.
Dann noch die verbleibende Genua auf die Backbordseite umlegen und alles kommt
wieder zur Ruhe. Ich beschließe dann doch noch, das Großsegel zu setzen. Es
kostet uns nur einige Grad an Tiefe und bring mehr Speed und Stabilität. Leider
knarzt und knackt es die Hölle, so dass sich die 20kn Wind, die wir z.T. in der
Nach haben eher wie 30kn anfühlen. Es fühlt sich auch wahnsinnig schnell an und
ich bin etwas enttäuscht, dass es dann doch nur ca. 5,5kn sind.
Tag 11 (oder 12? Irgendwo muss
ich mich verzählt haben…)
Wir haben weiter ganz guten Wind,
hinter uns tauchen 2 Segelboot auf dem AIS auf und eines können wir sogar mit
dem Fernglas als kleinen Punkt am Horizont sehen! Wow, richtig was los hier!
Alles geht gemächlich los, Lennard schlappt ein paar Honey-Schoko-Pops, Abdullah
steuert und der Rest hat sich noch nicht sehen lassen. Die Nacht war doch
anstrengend, da laut und bewegt. Das Schiff ließ sich auch schwer steuern, so
dass selbst hartgesottene Handsteuerer wie Korneel hin und wieder auf den
Autopiloten zurückgriffen. Wir versuchen damit auch zu sparen, da unser
Energiehaushalt nicht so toll aussieht. Da wir noch immer beide Kuhlschränke
laufen haben verbrauchen wir mehr als wir produzieren. Dazu kommt, dass es oft
bedeckt ist und die Solarzellen bei den starken Schwankungen nicht so effektiv
sind. Hinzu kommt, dass sie nachmittags vom Segel verschattet sind. Auch der
Hydrogenerator fristet eine hartes Dasein. Durch den Wellengang wird das Heck
der Leonardo immer wieder aus dem Wasser gehoben und mit ihm der Hydrogenerator.
Er taucht dann mit einem Ruck wieder bei voller Fahrt ins Wasser ein, was eine
extreme Belastung darstellt. Schon beginnt sich die erste Edelstahschweißnaht
zu lösen und es ist nur eine Frage der Zeit, wann er bei der Belastung das
Handtuch wirft. Wir haben jetzt die Wahl, ihn zu schonen und aus dem Wasser zu
nehmen aber wofür? Wir haben ihn für diese Überfahrt gekauft, ihn jetzt zu
schonen, um ihn dann auf Tagestörns nicht zu brauchen macht irgendwie auch
keinen Sinn. Als geht es weiter ssssssss pause SSSHHHHssssss sssss Pause
SSSSHHHHssssss usw. . Bei der Fahrt, die wir z.Zt. machen bringt er immerhin um
die 5Ap, was zwar nicht doll ist aber besser als nix. Die einzige andere
Möglichkeit Strom zu erzeugen, ist die Lichtmaschine unseres Diesels, die bei
niedrigem Ladestand der Batterie satte 100Ap liefert. Leider verbraucht das
Diesel und verwandelt meine Kabine bekanntermaßen in einen Maschinenraum. Aber
seis drum, nach 45 Minuten sieht die Batterie wieder ganz gut aus und wir
kommen über die nächsten 1-2 Tage.
Nachdem so nach und nach alle am
Start sind nehmen wir uns das Genua-Fall vor. Der Schäkel ist gebrochen und der
eine Teil ist mit der Genua ins Wasser gesegelt. Der verbliebende Teil ist nun
irgendwo am Ende des Genuafalls in der Mastspitze. Abdullah bietet sofort an,
in den Mast zu gehen, um das Fall herunterzuholen. Das ist nicht ganz
unaufregend, da wir 4 Bft und 3m Welle haben, die aus unterschiedlichen
Richtungen kommt. Ein Rollen des Bootes ist also nicht zu vermeiden. Wir
beschließen, die andere Genua stehen zu lassen damit Fahrt im Schiff bleibt und
es etwas stabilisiert wird. Das Großsegel holen wir ein und Abdullah bewaffnet
sich vor allem erst einmal mit Handy-Camera und GoPro. Er will da oben ein
Selfie-Video machen, was zwar etwas verrückt klingt, uns aber auch schöne
Bilder bescheren würde. Als es losgeht frage ich noch einmal, ob Abdullah schon
einmal im Mast war. Uups, er verneint aber so wir ich ihn bisher kennen gelernt
habe, trauhe ich ihm das ohne weiteres zu. Korneel steuert, Caro dirigiert das
Fall, Lenny und ich kurbeln. Abdullah hält den Mast eng umschlungen, denn die
größte Gefahr ist nicht das herunterfallen sondern dass er in großen Bögen bei
dem schaukelnden Schiff hin und her pendelt. Alles geht gut doch dann kommt die
Katastrophe: Abdullah ist oben, er hat das Spi-Fall und dann kommt er nicht an
den Beutel heran, in dem er all sein Kameraequipment verstaut hat! Als ich
entscheide, dass das egal ist und er sofort runterkommt ist er glaube ich ganz
erleichtert, denn so angenehm war es da oben nicht. Unten ist er erst betrübt,
seinen Heldeneinsatz nicht dokumentiert zu haben, dann aber stolz es getan zu
haben und froh, wieder unten zu sein.
Wir kramen die nasse eingerollte
Genua wieder aus dem Segelschapp und setzen erneut die 2 Genuas, was auch
„Passatsegel“ genannt wird. Die 2. Genua baumen wir mit dem Großbaum aus, was
etwas abenteuerlich aussieht aber gut funktioniert. Das ganze führt dazu, dass
wir wieder direkt auf Barbados zusteuern können und zwar nicht sehr schnell aber
doch ok vorankommen. Einziger Nachteil dieser Segelkonstellation ist, dass es
ziemlich roll. Aber irgendwie gewöhnen wir uns dran. Nach der Aktion wird
geduscht, d.h. Salzwasser mit dem Eimer schöpfen und mit einer kleineren Schale
Wasser über sich gießen. So kann man sich gut Waschen und sich ggf. noch den
Luxus des Nachspülens mit Süßwasser gönnen. Wir sparen so eisern Wasser, dass
ich ziemlich sicher bin, dass wir mit mehr als halbvollen Tanks in der Karibik
ankommen werden.
Caro hat kleine kanarische Kartoffeln mit Maiskolben zum Mittag vorbereitet, danach sind wir alle fix und fertig. Das Tagwerk ist getan, das Flicken des Drachen wird auf morgen verschoben. Im Sonnenuntergang steuert Bobby (Spitzname unseres Autopiloten) während Lennard, Korneel, Abdullah und ich unsere Wizard-Runde beenden.
Wir nähern uns langsam der Hälfte
unserer Route. Wesentlich langsamer, als ich gedacht hätte aber es geht voran.
Ich rechne allerdings damit, dass wir erst Freitag abend wirklich die Hälfte
haben und hoffe dann, dass die 2. Hälfte schneller geht. Wenn nicht, werden wir
bald 4 Wochen auf See sein, was Welten von den Geplanten 18-20 Tagen entfernt
wäre. Wenn es so bliebe, wie jetzt wäre es mir allerdings auch egal. Erstens
können wir es eh nicht ändern und 2. geht es uns ja gut. Da komme es auch ein,
zwei Tage mehr oder weniger auch nicht an und ich sehe nicht, dass wir an die
Grenzen von Wasser oder Essen kommen.
Insgesamt werde ich ruhiger, ich
sehe, dass Dinge passieren aber auch wieder gelöst werden. Trotzdem bleibt
natürlich ein mulmiges Gefühl darüber, was nun in den kommenden 1600nm
passieren wird. Vielleicht haben wir ja Glück und es passiert einfach mal gar
nichts!
13. Tag – Halbzeit!
Eigentlich hätte ich gedacht,
dass wir nach 13 Tagen schon in der Nähe der Zieleinfahrt sind aber wir haben
gelernt, es kommt auf jeden Fall anders als geplant. Inzwischen hat sich eine
entspannte Gelassenheit an Bord eingestellt, wir kommen mit 15- 20 kn Wind gut
voran und können mit den 2 Passatsegeln direkten Kurs steuern. Heute morgen gab
es direkt eine kleine Meuterei, als Lennard, Abdullah und Caro beschlossen
haben, dass sie den Drachen gar nicht mehr setzen wollen! Als großer Fan dieses
Segels bin ich natürlich enttäuscht aber insgeheim freut mich das. 1. Ist das
ein Zeichen, dass alle mit der Situation zufrieden sind und als Skipper fühle
ich mich auch immer dafür verantwortlich, dass es allen gut geht. 2. Ist es
wirklich so, dass wir bei dem Wind fast 6kn Fahrt machen und der Drachen zwar
schneller wäre aber auch mehr Stress bedeutet, den keiner braucht und will. Wir
werden ihn trotzdem reparieren und falls der Wind wieder einschläft, kommt er
vielleicht doch noch aus dem Sack!
Ich habe beschlossen, dass wir
heute die Hälfte der Reise hinter uns haben. Das ist nicht so ganz einfach zu
sagen, da die Bezugsgrößen variabel sind. Nehme ich den direkten Weg zwischen
Kanaren und Karibik und schaue dann, wie weit wir es noch haben, dann sind wir
weit unter der Hälfte. Nehme ich eine Route über Cap Verde dann ist der Weg
länger und das, was wir noch haben ist so ungefähr die Hälfte der
Gesamtstrecke. Schaue ich mir an, wie viele Meilen wir schon gefahren sind und
wie viele auf direktem Kurs noch vor uns liegen, dann haben wir deutlich mehr
als die Hälfte. Ich habe mich für Variante 2 entschieden auch wenn hier so
keine richtige Feierstimmung aufkommen will. Irgendwie sind wir innerlich schon
alle auf bald ankommen gepolt und da erscheint uns Halbzeit eher wenig.
Gefeiert wird also nicht, es gibt ein paar Süßigkeiten von Abdullah und ich holen ein paar mini-fake-snickers aus der Kiste. Kommt aber gut an. Caro arbeitet in bewundernswerter Sorgfalt am Flicken des Drachen. Erst einmal die gerissene Stelle auf den Tisch bekommen, vom Salz befreien, die Kanten bearbeiten, die Rissenden abrunden, dann Tapen. Eine Stunde Warten, dann die andere Seite. Das ganze dauert 2-3 Stunden, dann ist erst einmal Feierabend. Caro kocht und Abdullah erzählt beiläufig, dass ja nun auch die Squalls kommen… Aah. Die Squalls. Die hatte ich ganz vergessen. Die kommen ab der Hälfte der Strecke, kurze heftige Gewitterzellen mit Wind in Sturmstärke. Kommen schnell und gehen schnell. Wir essen erst einmal Caros leckeren Gnocci mit Spinat aber das Thema lässt mir keine Ruhe. Wir sehen Wolken am Horizont, solche, die auch zu Squalls werden können. Wir haben noch fast Neumond, d.h. es ist dunkel und wir sehen nur schwer, was da kommt. Vor allem, wenn wir gleichzeit mit Hand steuern und uns auf die Segel konzentrieren. Dazu liegt ein Drachen-Segel im Baustellenzustand im Cockpit und eine Genua fliegt frei. Die kann man nicht so fix einkurbeln und wir sind auch keine Regatta-Crew. Also auch kein Reifenwechsel in 7sec. Wir beschließen, die 2. Genua einzuholen und über Nacht nur die 1. Genua zu fahren, die wir dann auch schnell einkurbeln können. Natürlich ist es stockdunkel als wir mit der Aktion beginnen und es braucht eine ganze Weile, bis das Segel an Deck verstaut ist und unsere diversen Leinenkonstruktionen abgebaut sind. Dann ist Ruhe, alle sind entspannter. Zwar kommen wir nur langsam voran aber Safety first.
Morgens um 05.00h schlägt Caro
aufgeregt auf mein Kabinendach. Der Baum unserer einen Genua schrabbt wütend
über das Vordeck, offensichtlich hat er sich aus der Verankerung gelöst. Ich
mache Abdullah wach und wir bändigen das Ungetüm, nehmen ihn runter und
vertäuen ihn mit der 2. Genua an Deck. So langsam sieht die Leo ziemlich
vollgerumpelt aus, bald sind wir ein echtes Blauwasserboot… hahaha. Was war
passiert? Wir hatten ja in Spanien eine neue Schiene für den Genuabaum am Mast
montieren lassen. Die Schiene war größer als die alte und die Schrauben nicht
mehr M5 sondern M8. Ne ziemlich solide Sache. Leider ist der Schlitten, der auf
dieser Schiene läuft nicht so dolle. Nun ist also der Ring vom Schlitten
abgebrochen, eine Schweißnaht hatte sich gelöst. Wiedersehen Schiene,
wiedersehen Schlitten.
Wir gehen wieder in die Kojen und
vertagen das Problem. Am nächsten Morgen basteln Korneel und ich den Ring mit
einer Leine um den Mast. Ziemlich einfach: Strippe durch den Ring und 3x um den
Mast, so fest ziehen, wie möglich und hoffen, dass es hält. Nichts für die
Ewigkeit aber vielleicht für nen paar Tage.
Der Wind hat leicht auf OSO gedreht und wir setzen das Groß zur Genua. So hoffe ich, dass wir etwas besser vorankommen und da der Wind leicht von Süden kommt trotzdem den Kurs halten können. Das klappt erst gut aber nun lässt der Wind nach und dreht wieder mehr nach Osten, entsprechend kippt unsere Fahrtlinie nach Süden. Ihr erinnert euch, platt vor dem Wind geht nicht bei unserem Großsegel. (Kleine Anmerkung: Zumindest noch nicht: Die letzte Option wäre, das Groß runterzunehmen und gegen das alte Großsegel zu tauschen. Das dürfte dann auch an den Salingen scheuern und wir könnten das Segel weiter öffnen. Diese Option heißt aber mitten auf dem Atlantik 15m lange vertikale Latten aus dem Segel zu zerren, irgendwo zu verstauen und dann ein schweres Großsegel aus der Mastrollanlage zu entnehmen und ein ebenso großes und schweres Segel dort einzufädeln. Hätten wir im Hafen machen sollen aber eigentlich wollten wir das Groß ja gar nicht nutzen…).
Lennard steuert uns durch Wind
und Welle und Caro gelingt der nächste Schritt der Segelwerkstatt: Denn Flicken
rundum zu vernähen. Bei wildem Rollen ist das ein ziemlicher Akt aber nach fast
2 Stunden ist sie fertig!
Heute ist es zu spät aber wenn
der Wind morgen wieder nachlässt bekommt der Drachen seine neue Chance!
Tag 14: Und er fliegt wieder!
Hurra, es ist vollbracht! Nachdem
es morgens den Anschein hatte, als hätten wir doch viel Wind setzten wir zuerst
die frei fliegende Genua zu der Rollgenua. Wir hatten beschlossen, nachts nur
mit einer Rollgenua zu segeln, um den Squalls begegnen zu können. Als nächster
Schritt musste der Drachen erst einmal wieder in den Sack, ein Bergeschlauch,
auch Snuffer genannt, der wie eine Socke über den Drachen gezogen wird. Nachdem
er dann gesetzt ist, zieht man die Socke hoch und das Segel entfaltet sich. Die
17m Kantenlänge ließen sich einfacher als gedacht in der Socke verstauen, auch
wenn wir dafür nur begrenzt Platz an Bord haben. Um 10.15h waren wir fertig und
auch schon wieder fix und fertig. Genua setzen und Drachen vorbereiten hat gute
2 Stunden gebraucht und auch wenn es durch den Seewind nicht gleich so auffällt
haben wir doch ca 32° im Schatten. Nach einer verdienten Pause beschließen wir
mehrheitlich (ausnahmsweise ein demokratischer Entschluss), den Drachen zu
setzen. Alles klappt gut, der Drachen kommt gut aus dem Verließ (Segelkammer im
Bug des Schiffes) und entfaltet sich vorbildlich. Dann doch einige Leinen umlegen
(wir fahren das gute Stück mit inzwischen immerhin 7 Leinen), was mit einem
Balanceakt auf dem Bugkorb verbunden ist. Sieht wohl abenteuerlich aus, vor
allem für die Im Cockpit aber so schlimm ist es gar nicht. Dadurch, dass ich
dabei die Genua fest umklammert habe fühle ich mich auch bei Wind und hoher
Welle recht sicher dabei.
Und dann den Anblick genießen!
Wow, er steht wieder! Caros Flicken zeichnet sich als „L“ im oberen Bereich des
Segels ab, wir beschließen sofort, dass er jetzt noch besser aussieht.
Irgendwie mehr Charakter! Und das L steht natürlich für Leonardo (oder für
Lennard, wie ein Crew-Mitglied sofort bemerkt). Wir sind stolz auf unsere
erfolgreiche Reparatur und auf unser Durchhaltevermögen. Belohnt werden wir mit
einer butterweichen, ruhigen Fahrt durch die Wellen. Es ist unvergleichlich
viel ruhiger mit dem Drachen zu segeln als mit allen anderen
Segelkombinationen. Wir rollen kaum noch, stampfen nicht, es ist ein Traum!!!
Seid wir wissen, was alles passieren kann, wissen wir es noch viel mehr zu
schätzen, wenn etwas klappt und funktioniert und ich glaube jede(r) beschließt
für sich, den Drachen jetzt noch pfleglicher zu behandeln.
Zum Mittag gibt es Nachos mit
Käse überbacken, dazu Guacamole aus den letzten sehr reifen Avocados. Mangos
gab es auch noch zum Frühstück, dann ist es jetzt langsam vorbei mit der
Frischware. Leider haben auch zwei Fische unsere Leinen durchgebissen, so dass
erst einmal auch nicht mit Frischfisch zu rechnen ist aber wir bleiben guter
Dinge. Lennard freut sich eh schon auf die ungesunde letzte Woche, in der wir
gänzlich auf Obst und Gemüse verzichten müssen. Statt dessen viel Nudeln, Käse,
Pizza… .
Heute sind wir 2 Wochen auf See,
das ist eine ganz schön lange Zeit. Als kleine Zwischenbilanz stellen wir fest,
dass wir eine tolle Crew haben. Es gibt oder gab keinen Streit und selbst
Lennard und ich bzw. Lennard und Caro geraten weniger aneinander. Die Fahrt ist
anstrengender als ich gedacht hätte und viel ereignisreicher. Gerade dadurch
habe ich jedoch das Gefühl, sehr viel zu lernen und einzigartige Erfahrungen zu
sammeln. Wie immer ist über etwas lesen oder nachdenken nichts im Vergleich
dazu, etwas selbst zu erleben und zu durchleben.
Ich schaue aus dem Niedergang und
sehe Lennard und Korneel bei Schachspiel. Mit dem Drachen bleiben die Figuren
auch wieder auf dem Spielfeld stehen, was ein echter Vorteil beim Spielen ist.
Abdullah steuert und über allem eine große dunkle Wolke… . Nachdem jetzt mal
wieder alles schick ist, wird es ja Zeit für die nächste Katastrophe. Ein
Squall, der uns möglichst mit Drachen am Himmel plötzlich trifft wäre
eigentlich ein naheliegender weiterer Höhepunkt auf dem Animationsprogramm… .
Mal sehen, vielleicht bleibt es uns erspart, wenn ich es hier vorwegnehme.
Zudem ist eh nie das eingetreten, was wir befürchtet haben sondern immer etwas
anderes.
Tag 15:
Die dritte Woche bricht an,
Montag, in Berlin ist es kalt und dunkel und alle müssen zur Schule oder
arbeiten. Bei uns beginnt der Tag damit, dass Caro den Motor startet, da der
Batterieladestand niedrig ist. Ich verwandele meine Kabine in den Motorvorraum
und komme an Deck. Ich koche Kaffee mit der italienischen Espressomaschine, was
etwas Feingefühl braucht, da alles, was an nicht festhält, umfällt. Ich mache
auch einen für Abdullah und während ich den Zucker in seinen Thermobecher fülle
sehe ich, dass mein Becher wohl nicht richtig verschlossen war und seinen
Inhalt weitgehen in das kleine Spülbecken ergossen hat…. Toll. Also noch einmal
das Ganze. Nachdem der Kaffee weitgehend getrunken ist tauchen Korneel und
Abdullah auf und erkennen bzw. teilen meine Unruhe. Auch wenn es jetzt 20kn
Wind hat, also 5 Bft. will ich den Drachen setzen! Auch keine Diskussion
darüber führen, ob nicht vielleicht 2 Genuas bei dem Wind angemessener sind, sondern
ihn aus der Kiste holen und in den Himmel bringen. Wir sind ziemlich schnell
dabei und nach ca. 30 Minuten fliegt er tatsächlich und entfaltet seine Kraft.
Korneel ist als erster an der Reihe und hat ganz schon zu kämpfen, die 170m²
unter Kontrolle zu bringen. Mit Abdullahs fachkundigem Rat trimmen wir das
Segel besser und es läuft kontrollierter. Aber nicht mit weniger Elan! Bei Böen
bis 6 25kn, 6Bft surfen wir die Wellen ab, die teilweise 3m hoch sind.
Höchstgeschwindigkeit 12,6kn! Wow, das ist geil! Wenn man sich erst einmal
eingefuchst hat, macht es wirklich riesigen Spaß und so langsam nimmt auch
meiner Sorge ab, dass gleich etwas reißen könnte. Meine Schicht ist um 12h
vorbei, dann übernimmt Abdullah. Der ist gar nicht mehr vom Steuer wegzukriegen
und er übernimmt auch Lennards Schicht. Obwohl wir nicht viel zu tun haben,
sind wir ziemlich müde. Das Schwanken trägt bestimmt dazu bei, die Seeluft, der
Schlaf… keine Ahnung, auf jeden Fall sind wir müde und nach einem kleinen
Mittagessen mit Pizza und Resten vom Vortag schlafe ich tatsächlich etwas.
Es ist verlockend, den Drachen
über Nacht stehen zu lassen. Der Wind ist bei 15-18kn, wir machen gut fahrt, es
ist stabil… aber wir könnten Squalls haben. Ihn dann in kurzer Zeit
runterzuholen ist einfach noch nicht geübt. Wir sind so wenig mit dem Segel
gefahren, dass mir das zu riskant ist. Schweren Herzens beschließe ich, den
sicheren Weg zu gehen und das Segel abends zu bergen. Wir machen das zum
Sonnenuntergang und trotz 20kn Wind in dem Moment bekommen Korneel und Abdullah
ihn gebändigt. So langsam habe ich das Gefühl, dass wir das in den Griff
bekommen. Auf dem Vordeck muss man einfach damit leben, dass man in einigen
Momenten an dem Bergeschlauch ziehen kann wie Supermann und absolut nichts
passiert. Dann gibt es aber auch wieder Momente, in denen er nachgibt und
schließlich landet er in der großen Socke.
Nun wieder zurück zur Genua. Es
ist zwar etwas langsamer aber dafür schaukelt es mehr… super, dafür eben sicherer.
Die Genua kann jeder allein in kurzer Zeit bergen und damit brauchen wir keinen
Squall zu fürchten. Notfalls kann man 40kn auch mit der vollen Genua vor dem
Wind abfahren.
Wir haben festgestellt, dass
unsere Logge nicht mehr vernünftig geht. So haben wir Logbucheinträge, in denen
wir in 10h gerade mal 12sm zurückgelegt haben, was einfach nicht sein kann.
Keine Ahnung was das nun wieder ist, ändern kann man es nicht. So wissen wir
halt nicht genau, wie viel wir an einem Tag gefahren sind. Wir wissen aber,
dass wir noch ziemlich genau 1100sm vor uns haben. Nach diesem super-Segeltag
fangen wir natürlich wieder an zu rechnen, dass man das ja in einer Woche
schaffen könnte… aber diese Rechnungen habe ich schon oft gemacht und
hingehauen hat es nie.
Tag 16: Squalls
Die Nacht gab uns recht! Gegen
Mitternacht weckt mich Abdullah, um mir den Regen zu zeigen. Etwas ratlos stehe
ich mit T-Shirt im Niedergang und halte die Sprayhood hoch, damit es nicht zu
heftig reinregnet. Abdullah hatte bereits alle Vorbereitungen für den Squall
getroffen, den er glücklicherweise trotz Dunkelheit hatte kommen sehen. Er
hatte die Genua gerefft und sich selbst regensicher angezogen, mehr war
eigentlich nicht zu tun. Korneel kam dazu und gemeinsam betrachteten wir den
heftigen Regen, der mit etwas über 30kn Wind kam.
Gegen morgen so gegen 04.00h trifft es Korneel. Er war sich nicht sicher, was die dunkle Wolke zu bedeuten hatte aber als die Windanzeige auf 35kn springt klopft er auf mein Kabinendach. Im Halbschlaf und in Unterhose reffe ich die Genua, dann ist eigentlich alles ok. Wir beglückwünschen uns zu der Entscheidung, den Parasailor (=Drachen) trotz all des Spaßes heruntergenommen zu haben und es ist schön zu erfahren, dass so ein Squall bei der richtigen Takelage eigentlich nicht gefährlich ist.
Morgens haben wir einen
traumhaften Sonnenaufgang und immer noch 22-25kn Wind. Entsprechend beschließen
wir, es bei der Genua zu belassen und verbringen seid langem den ersten Tag
ohne Segelwechsel. Die Welle wird zunehmend höher und chaotischer. Anfänglich
und vor allem bei viel Wind macht es Spaß, die Wellen abzusurfen. Bei etwas
nachlassendem Wind fühlt es sich eher an, wie durch eine Ölige Flüssigkeit
treiben. Unsere Bootsgeschwindigkeit steht in keinem rechten Verhältnis zu Wind
und Wellenhöhe. Wir lassen es trotzdem bei der Genua und schaukeln bis in die
Nacht weiter.
Wir haben nun die 1000nm
to-go-Marke geknackt und ab jetzt läuft der Countdown. Irgendwie fühlt sich die
dreistellige Anzeige gut an aber es passt noch immer nicht zu der noch offenen
Distanz. Unsere größte Strecke am Stück war bisher 499nm von Rabat nach
Lanzarote, jetzt haben wir noch mehr als das Doppelte und tun so, als wären wir
bald da.
Der Tag zieht sich irgendwie zäh
dahin. Alle sind etwas müde, es gibt nicht viel zu tun, spielen will auch
keiner so richtig etwas. Zumindest bei Caro und mir kann ich sehen, dass wir
uns ausgelaugt fühlen und die Reise so langsam die Energiereserven aufbraucht.
Dazu die schon oft zitierte Hitze. Das starke Schwanken führt auch dazu, dass
sich der Körper schwer entspannen kann. Alle Muskelgruppen sind ständig damit
beschäftigt, die Gewichtsverlagerung auszugleichen. Eine Seite spannt sich
immer gerade an während die andere entspannt. Das ist selbst beim Schlafen so,
wenn das eine Bein versucht abzuwehren, dass man quer durch die Kabine kullert.
Irgendwie klar, dass man bei ständiger Anspannung nicht gut schlafen kann.
Tag 17:
Die Nacht verläuft ohne Squalls
und weitere Zwischenfälle und ca 20-22kn Wind treiben uns trotz des kleinen
Tuches gut an. Ich wache früh auf, kann nicht mehr schlafen, gehe zu Lennard an
Deck. Caro kommt dazu und ich fange an, ihnen damit auf die Nerven zu gehen,
dass ich trotz der 20kn Wind den Drachen setzen möchte. 5,5kn ist ja ok aber
7,5kn macht einfach mehr Spaß. Die beiden mit dem Segelsetzen zu quälen macht
keinen Sinn, da wir ja Abdullah und Korneel haben, die das gerne machen. Leider
schlafen die beiden und ich versuche, meine Ungeduld noch etwas im Zaum zu
halten. Ich knüpfe mehr Gewichte an die Angelschnur, der „Taucher“, der die
Schnur bisher nach unten gezogen hat schwimmt ja jetzt leider ohne Leine im
Meer. Vielleicht hilft es ja, wobei die hohe Geschwindigkeit dafür nicht
hilfreich ist.
Nun ist es 10.40h, Korneel hat
Schicht und wir haben den Drachen am Himmel. Wir brausen voran, der Motor läuft
ein Stündchen dazu, um neuen Strom zu produzieren. Und – 886sm to go!
Wir spielen ein paar Runden Skat,
während wir weiter dahinbrausen. So hatte ich mir das eigentlich vorgestellt,
warum nur ist es nicht so gelaufen? Anyway, schön, dass es jetzt läuft und
hoffentlich bleibt das so. Wir sind noch immer in der Squall-Zone daher kommt
der Drachen heute Nacht runter. Es juckt mir in den Fingern es zu riskieren,
aber der Ärger wäre zu groß und auch, wenn wir ihn das letzte Mal gut
herunterbekommen haben: Wir sind noch nicht soweit, dass wir das mitten in der
Nacht innerhalb von 2 Minuten schaffen! Also ruhig Brauner, runter damit über
Nacht, Fallen und Schoten kontrollieren und morgens wieder hoch!
Ich werde Caros Schicht
übernehmen und Abdullah übernimmt weitgehend Lennards Schicht. Der Drachen bei
20-25kn ist nach wie vor eine große Herausforderung und jetzt haben wir ja
genug Crew! Schön, dass wir auch den Autopiloten schonen können. Ein dänisches
Segelboot, was wir unterwegs trafen fragte über Funk nach Ersatzteilen für
ihren Autopiloten. Also gut, wenn wir ihnen schonen können damit er hoffentlich
funktioniert, wenn wir ihn dringend brauchen!
Up(s) and Down(s)
Nachmittags sprechend wir
darüber, wann wir das Segel herunterholen, als sich im Hintergrund eine große
Wolke aufbaut. Es macht den Eindruck, als zöge sie vorbei, dann doch nicht. Wir
beschließen also, den Drachen zu bergen. Optimistisch nach der letzten
Erfahrung sollte dies auch bei 20-23kn kein Problem sein. Haha, geglaubt. Wir
testen folgendes System. Alle redundanten Leinen lösen, so dass das Segel nur
noch an jeweils einer Leine vorne und hinten hängt. Diese dann auf „3“ lösen
und vorne die Socke über das Segel. Ganz einfach. Hat nur leider nicht geklappt.
Das Segel baut sich nach dem Lösen der Leinen wieder auf und Korneel und
Abdullah versuchen verzweifelt wie aussichtlos die Socke über irgendetwas zu
ziehen. Ich sehe, wie Abdullah sitzend über das Vordeck geschleift wird während
Korneel laut aufschreit, als er sich die Hand am ausrauschenden Bergeseil
verbrennt. Der Drachen fliegt ca. 20m über allem, so weit oben iss ja auch
schön, da ist gleich noch viel mehr Wind… . Hinten rauschen einige Leinen aus,
an wieder runterholen ist also nicht zu denken. Was bleibt ist, das Fall zu
lösen auf die Gefahr hin, dass alles im Wasser landet. Das tun wir und mit
fallendem Drachen gelingt es Abdullah und Korneel irgendwie den Sack über den
Kite zu bekommen. Kurz bevor alles ins Wasser klatscht kurbeln erst Lennard und
dann ich wie die begasten. Ich will vieles aber nicht den mühevoll reparierten
Drachen beim Bergen im Meer versenken! Irgendwie gelingt auch diese Übung und
lediert sowie fix-und-fertig setzen wir noch die Genua für das nächtliche
Uga-Uga-Segeln. (Uga-uga-Segeln = steinzeitliches treiben mit Kleiner
Segelgardrobe vor dem Wind. Langsam und rollend, vor allem im Gegensatz zum
Dahinrauschen mit Drachen-Segel).
Also wieder zurück auf Los. Ich
dachte, wir hätten das Gerät langsam im Griff aber das war wieder eine
Veranstaltung aus dem Kapitel Verzweiflung. Das Problem: Irgendwann trauen wir
uns gar nicht mehr das Segel zu setzen, vor allem ohne fremde Hilfe. Was hilft
das tollste Segel, wenn man es nicht kontrolliert bergen kann? Ich schreibe an
Oxley, vielleicht gibt es doch noch einen Trick, auch wenn ich es nicht glaube.
Vermutlich ist das wirklich der Haken an diesem Zaubertuch (neben dem Preis).
Ach ja, der Squall, wegen dessen wir das Segel geborgen hat zieht vorbei und
bläst nur 1min mit überschaubaren 26kn… .
Tag 18:
Die Nacht verläuft ok, noch ein
Squall kündigt sich an, Abdullah und ich reffen aber außer ein paar Tropfen
passiert nichts. Wahrscheinlich sind das einfach Regengebiete und keine Squalls
und diese sind daher auch nicht gefährlich.
Übermüdet beginnen wir den
Drachen für den nächsten Tag vorzubereiten. Auf Grund des chaotischen Bergens
sind auch die Leinen alle durcheinander weswegen wir eine geschlagene Stunde
brauchen, bis alles wieder am Platz ist und der Drachen steht. Nun kommen wir
wieder gut voran, der Wind bläst mit 15-20kn, alles perfekt.
Nur meine Laune nicht. So langsam
nervt mich das Geschaukel. Man kann nichts machen, ohne sich abstützen oder
festhalten zu müssen. Irgendetwas klappert immer und ständig fliegt etwas durch
die Gegend. Nun ja, hatte ich ja schon, trotzdem nervt es. Ach ja, 740nm to go!
Nachmittags läuft dann eigentlich
alles ganz geschmeidig und auch meine Laune bessert sich. Die Frage: Fahren wir
den Drachen über Nacht? Ich beschließe, eine Trainingssession einzulegen: Wir
bergen den Drachen bei 15-20kn damit wir das in den Griff bekommen. Wir bauen
auf das Verfahren auf, was noch am besten funktioniert hat: Das Achterliek
festsetzen und das Vorliek schlagartig öffnen. Dabei soweit abfallen, dass der
Kite einknickt. Dann schnell den Bergeschlauch drüberziehen. Nachdem wir das 2x
ziemlich kontrolliert hinbekommen haben sind wir reif, für den nächtlichen
Einsatz. Außer etwas Regen mit Böen um 26kn passiert auch nichts, so dass wir
eine ziemlich ruhige und schnelle Nacht hatten. So ganz entspannen kann ich
mich dabei nicht, so dass ich dann doch oft wach war.
Tag 19: Geburtstag!
Heute wird Lenny 16- unglaublich,
dabei war er doch vor kurzem noch so klein… 😊. Es gibt Rührei mit Schinken zum Frühstück,
Caro hat die berühmten Gebursttags-Brownies gebacken und es gibt Geschenke:
Eine tolle Zeichnung von Korneel sowie ein T-Shirt und einige Gutscheine von
Caro und mir. Es hagelt Nachrichten auf dem Garmin Inreach und dazu spielen wir
erst Skat, dann Schach und zum Schluss mit allen gemeinsam Wizard – ein Tag
nach Lennards Geschmack. Sonst passiert eigentlich nicht viel: Wir lassen den
Drachen den ganzen Tag stehen, d.h. keine Segelmanöver und auch mein Elan,
irgendetwas zu reparieren ist ziemlich gering. Einzig meine Badezimmertür muss
provisorisch repariert werden damit sie mir nicht ständig auffliegt.
Ich glaube Lennard wird sich an
den Tag erinnern. Wer kann schon sagen, dass er seinen 16. Geburtstag auf dem
Atlantik gefeiert hat?
20. Tag (oder 21.? Mir scheint
schon wieder ein Tag verloren gegangen zu sein)
Der Drachen bleibt über Nacht im
Himmel und wir damit einen großen Teil der Nacht wach. Obwohl wir alle bei
sternklarer Nacht in die Kojen gingen (natürlich bis auf den Schichtgänger bzw.
die Schichtgängerin) tauchen mehrere Regenwolken verbunden mit starken Böen
auf. So sitzen wir mehrmals zu viert im Cockpit, zwei an den Winschen, eine(r)
am Steuer und eine(r) in Reserve. Der Rudergänger versucht soweit wie irgendwie
möglich abzufallen, um den Druck im Segel zu minimieren. Gelingt ihm das nicht
oder schiebt parallel zu einer Böe eine Welle kann es passieren, dass sich das
Boot unweigerlich in den Wind dreht. D.h. nicht komplett in den Wind sondern
ca. 60° zum Wind. Dann fängt das Drachensegel an wie verrückt zu schlagen und am
Wind einzufallen. Dabei treten ungeheure Kräfte auf, die am Boot zerren.
Entweder pendelt dann das Boot von selbst zurück (der Rudergänger hat in diesen
Momenten nur noch wenig Einfluss) oder wir helfen nach, in dem wir die
achterlichen Schoten etwas fieren. Wenn das Boot dann wieder zurückdreht
schnell die Schoten wieder dichter, da der Kite sonst ziemlich unkontrollierbar
wird. Das ganze ist ziemlich aufregend und nicht nur der Rudergänger steht im
Schweiß. Der Moment des Kontrollverlustes bei viel Wind und einem riesigen
Segel ist nicht gerade toll, auch wenn dabei im Normalfall eigentlich nichts
passiert. Abdullah ist meist der Mann am Steuer. Er steuert gut, gern und viel
und ist sehr geübt. Aber auch alle anderen hatten die Situation bereits und
haben sie gemeistert. Als Beleg für die Kräfte, die auftauchen reißt eine
Leine, mit der eine Umlenkrolle an der Mittelklampe befestigt ist. 2x8mm
fliegen einfach so weg…. .
Ich beschließe, das nicht noch
eine Nacht so zu machen. Das ist anstrengend für die Crew und für das Boot.
Zudem haben wir jetzt nnoch ca. 400sm zu fahren und es ist nach karibischer
Zeit 10h. Wenn wir also einen Schnitt von 7kn fahren, kommen wir am Montag um
19h also im Dunkeln in St. Lucia an. Wenn wir statt dessen nachts mit kleinem Segel fahren, fahren wir im Durchschnitt 6kn
und kommen morgens um 06.00h zum Sonnenaufgang an. Hhmm, bei Schreiben fällt
mir auf, dass die Entscheidung doch nicht so einfach ist, da Ankunft um 06.00h
auch nicht optimal ist. Ich werde noch einmal abwarten, wie die Situation und
die Stimmung heute abend vor Sonnenuntergang ist und dann entscheiden.
Im Übrigen denke ich eigentlich
nur noch ans ankommen. Es ist heiß, ca. 30° und die Sonne brennt einem beim
Steuern auf den Schädel. Ich habe natürlich einen Hut auf aber dennoch fühle
ich mich nach der Schicht wie gegrillt. Natürlich schwankt es weiterhin und
alle sind müde. Lenny ist weiter guter Stimmung und sucht Mitspieler für was
auch immer. Caro und ich spielen auch gern ne Runde Skat mit. Beim Schach wird
es langsam zäh, da Lenny immer besser spielt und ich immer schlechter. Das
Ergebnis könnt ihr euch ja vorstellen und so richtig dolle gern verliere ich
auch nicht… . Abdullah hat Lennard gestern in einem zweistündigen Match in der
prallen Sonne besiegt. Zum Ausgleich habt Lennard bei der Wizard-Runde
gewonnen, bei der diesmal auch Caro mitgespielt hat und Abdullah zugestimmt
hat, Bobby, dem Autopiloten eine Zeit lang das Ruder zu überlassen.
Draußen rauscht es, wenn Abdullah
durch die Wellen gleitet, drinnen klappert es, wenn irgendwelche Kleinteile in
der Küche im Schrank hin und her fliegen. Selbst Caro hat kapituliert,
irgendetwas klappert immer. Dazu knarzt das Schiff und es schnorchelt in den
diversen Seeventielen. Das Soundbeispiel gibt einen Eindruck wie es ist, wenn
es leise ist…. .
So starten wir also mit einer
Genua in die Nacht, in der wir uns alle noch einmal entspannen wollen vor den
letzten Etappen. Ach ja, da war ja was… ich habe entspannen gesagt :-o.
22.Tag
Um 03.30h klopft Korneel an meine
Tür, die Genua liegt im Wasser. Nicht wie anfänglich befürchtet das Fall
sondern der Schäkel war gebrochen. Ein neuer Edelstahl-Schäkel, den ich genau
nach Vorgaben der Fa. Seldén verwendet habe bricht nachdem er drei Tag im
Einsatz ist. Also wieder nachts das Segel aus dem Wasser zerren. Dann das
Spi-Fall austauschen, was wir abends nicht mehr gemacht hatten. Dann die Genua
wieder setzen, diesmal freifliegend, da das obere Teil der Rollreffanlage ja
irgendwo in Mastspitze hängt. So fahren wir 2-3 Stunden, dann geht es weiter.
Abdullah bietet sofort an, nocheinmal in den Mast zu steigen. Mein erster
Gedanke wäre gewesen, die Furlex (Rollreffanlage) erst einmal zu lassen und das
im Hafen in St- Lucia zu regeln. Da aber Abdullah unbedingt noch Selfies aus
dem Mast machen will, lassen wir ihm das Vergnügen. Da wir alle unausgeschlafen
und tendenziell genervt sind, kann von Vergnügen eigentlich keine Rede sein.
Abdullah bereitet alles vor, klettert auf den Großbaum, von wo aus erst einmal
sein schickes Samsung S10 den Abgang macht. Er klettert dennoch weiter wobei
das Schiff noch mehr schwankt, als beim ersten Mal. Durch die hohen Wellen und
die 20kn Wind schlägt der Mast heftig aus und mit ihm Abdullah. Korneel und ich
arbeiten uns abwechslend unser Frühstück ab und kurbeln ihn hoch, was auf jeden
Fall schweißtreibend ist. Abdullah befreit das Genuafall und stellt dann fest,
dass sein Smartphone beim ersten Unfall kaputt gegangen war. Also wieder keine
Selfies aus dem Mast. Wenigstens gibt es dieses Mal Aufnahmen von unten.
Danach beschließen wir, den
Parasailor, den Drachen zu setzen. Allerdings auf der anderen Seite, was
einiges an Umbau erfordert. Wir ziehen ihn hoch, wir basteln alle Kabel um und
der Himmel verdunkelt sich. Ein Squall hatte sich herangeschlichen, erst einmal
Abbruch. Lennard und ich verkriechen uns im Segelbunker, wo sonst nur Segel und
Fender unterkommen. Lennard witzelt, dass andere Familie Vater-Sohn-Zeit im
Wald, auf der Cart-Bahn oder so verbringen würden während wir es vorziehen zu
zweit in engen muffigen Backskisten zu sitzen… irgendwie aber auch ganz lustig.
Als der Regen vorbei ist ziehen wir ihn wieder hoch und passen die fehlenden
Kabel an. Schon naht der 2. Squall, wir machen erst einmal weiter, erst als der
Wind auf 35kn auffrischt stopfen wir den Drachen panisch zurück in seinen
Bunker. Dort beschließen wir ihn bis auf weiteres zu lassen. Wir bauen die
Rollgenua wieder zusammen und setzen diese mit dem Genuabaum. Nach kurzer Pause
wollen Korneel und Abdullah unermütlich auch noch die 2. Genua setzen. Ich bin
in der Zwischenzeit fix und alle, habe mich bereits einmal mit Caro gestritten,
die auch einfach nicht mehr kann. So langsam geht es echt an die Substanz. Wir
kommen wieder runter, bemühen uns, die letzten 2 Tage auch noch gut über die
Bühne zu bekommen. Nach ca. 1,5h steht auch die 2. Genua, ausgebaumt mit dem
Großbaum. Der Wind frischt auf 20kn auf und nun rauschen wir erneut in Richtung
St. Lucia. Abdullah steuert, Caro schläft, Lennard ist in seiner Kabine,
Korneel schreibt etwas. So langsam kehrt wieder der Alltag ein, in dem wir
eigentlich die letzten Meilen entspannt zurück legen wollten. Vielleicht klappt
es jetzt und wir können in dieser Konfiguration die letzten 250nm ohne Pannen
abreißen.
Schon lustig: Vor 1,5 jahren
wollten wir Ostern von Trogir nach Venedig fahren. Das sind ca. 250nm einfache
Strecke. Wir haben es dann nicht getan, da der Wind nicht so günstig war und
wir ja auch nur 2 Wochen Zeit hatten. Und dann so eine lange Strecke… der
Maßsstab hat sich etwas verschoben, jetzt fühlen sich 250nm an wie fast da –
hoffentlich!
23. Tag
Wir brausen mit zwei Genuas durch
die Nacht. Alles läuft gut, nichts bricht nichts knallt nur morgens reffen Caro
und Lennard gemeinsam eine der Genuas bei fast 30kn Wind.
Eine träge Ruhe liegt über dem
Tag. Abdullah steuert, alle anderen haben sich in ihre Kabinen zurückgezogen.
Der Wind treibt uns mit 20-26kn schnell voran und wir werden wohl noch am
Nachmittag die 2. Genua einholen, um nicht zu schnell und damit mitten in der
Nacht in St. Lucia anzukommen. Der Wind soll dann morgens noch einmal
auffrischen und Böen bis 39kn bringen. Wir hoffen, dass wir dann bereits auf
der Lee-Seite der Insel sind und in eine hoffentlich gut geschützte Hafenbuch
einlaufen.
Ich weigere mich noch, Resümees
zu ziehen. Noch sind 120nm zu fahren und wir sind noch nicht sicher im Hafen.
Bis dahin ist alles möglich. Also noch keine Schlussworte. Trotzdem mache ich
mir natürlich viele Gedanken. Würde ich es noch einmal machen? Was würde ich
anders machen? Ich glaube, wir haben vieles richtig gemacht und wir haben etwas
Pech gehabt. Aber auch viel Glück, denn es ist nichts Wesentliches passiert,
niemand ist verletzt oder krank und die Crew hat gut zusammengehalten.
Obwohl Abdullah das nicht
wirklich nachvollziehen kann nehmen wir die 2. Genua vor der Nacht herunter.
Der Wind bläst noch immer mit 20-25kn und wir kommen auch mit einem Tuch gut
voran. Mit meiner Kabine unter dem Cockpit bin ich hautnah dabei und ich
schrecke stündlich auf, wenn es sehr laut im Cockpit wird. Erst versichert mir
Caro, dass alles in Ordnung ist, später Korneel. Um kurz nach 02.00h geht es
noch einmal richtig zur Sache. Als ich nach oben komme stehen Lennard und
Abdullah im strömenden Regen und kämpfen mit der einen Genua. Trotz der fast 40kn
Wind bekommen sie diese in den Griff und wir versuchen, das Wasser, was durch
alle auf Grund der Hitze geöffneten Fenster ins Boot gelaufen ist, wieder
einzudämmen. Also doch keine ruhige
Nacht, hätte irgendwie auch nicht gepasst. Es war Lennards allerletzte Wache
bei der er auch Caro noch eine Stunden schenken wollte, die ihn zum Helden der
Nacht gemacht hat. Ich glaube, er wird das nicht so schnell vergessen.
Am nächsten Morgen johlt Abdullah
laut „Landfall“ und tatsächlich ist St. Lucia am Horizont zu sehen. Diesmal
hatte ich nicht die Chance, selbst ruhig darauf zuzusteuern sondern fühlte mich
etwas von Abdullahs Alarm überfordert. Also erst einmal Kaffee machen und den
Anblick auf mich wirken lassen. Es ist ein Gefühl von „wir haben es geschafft“,
was mich überkommt und „endlich“. So richtig große Gefühle kommen aber nicht
auf. Schön ist es, als Lennard und Caro an Deck kommen. Für uns drei ist es
schon ein toller, besonderer Moment. Irgendwie schräg, dass wir tatsächlich
über diesen Ozean gesegelt sind… .
Wir fahren bei 22kn Wind in den engen Hafen und mein Adrenalinpegel steigt noch einmal sprunghaft. Unbekannter Hafen, keine Marineros und viel Wind. Dazu seit 3 Wochen kein Hafenmanöver.
Ich fahre rückwärts in eine Seitengasse, die beidseitig mit Schwimmstegen gesäumt ist. Klar treibt das Boot dabei in Richtung der Lee-Seite und Caro bekommt noch einmal einen großen Schreck. Ich dann auch aber eigentlich ist alles im Griff. Beherzt gebe ich ordentlich Gas, denn Fahrt im Schiff ist die einzige Chance, bei Rückwärtsfahrt und insbesondere bei Seitenwind manövrierfähig zu bleiben. Wir sehen dann einen freien Spot und ohne lange zu fragen, fahren wir hinein. Alles klappt super, Fender runter, Leinen fest…. Und plötzlich sind wir da. Steigen auf festen Boden, schwanken nicht mehr und die lange Überfahrt ist mit einem Schlag Vergangenheit.
Abdullah lädt uns erst zum
Rum-Punsch ein, dann zu mehreren Bieren. Ich bin mittags so knülle, dass das
Einklarieren volle Konzentration erfordert und ich danach wie tot in meine
Kabine falle.
Um 13.15h ging es los! Etwas Aufregung nach den Start, als dwr Motor plötzlich komisch klang und kein Wasser mehr ausspuckte… Korneel war sofort am Motor und löste das Problem (well done, Korneel!!ä Ich hatte den Filter nach der Reinigung nicht gut genug verschlossrn und statt Wasser zog der Kreislauf Luft.
Nun segeln wir bei 5-6 Bft entlang der Ostküste Teneriffas nach Süden und Lennard reitet dabei elegant die 1-2m Wellen ab. Wir segeln nur mit Genua, zum einen wolöen wir entspannt starten, zum anderen ist in der Enge zwidchen Teneriffa und gran Canaria eine ziemliche Düse, wo der Wind schnell auf 7-8 auffrischen kann (kann, nicht muss 🙂 ).
Etwas kalt ist es, ca 18- 20° und im Wind ist das frisch. Aber in ein paar Tagen wird es wärmer werden und ich glaube, wir dürfen uns nicht beklagen, wenn ich vom Wetter in der Heimat höre :-o.
nun sind wir schon ungefähr eine Woche hier in Teneriffa und ihr habt noch immer keinen aktuellen Stand.
Die Überfahrt von Lanzerote war ziemlich anstrengend. Wir hatten zwischen 20 und 32kn Wind, was ungefähr Windstärke 5-7 entspricht. Das war schon viel, aber zu schaffen gemacht hat uns eigentlich die Welle: Die kam aus unterschiedlichen Richtungen und teilweise von der Seite, so dass wir extrem hin und her geschaukelt wurden. Einzelne Wellen waren 3m hoch und die Abstände waren trotzdem ziemlich eng.
Enno hat am meisten darunter gelitten und war ziemlich seekrank. Mir war am nächsten Morgen ziemlich schlecht, da ich zum einen nicht geschlafen hatte und zum anderen vernachlässigt hatte, zu trinken und zu essen… . Nicht gut aber ein guter Reminder für kommende Fahrten. Entsprechend froh waren wir, als wir am morgen in Teneriffa festmachen konnten – erst an einem Hafen, dann in der Marina Santa Cruz, die uns zuvor mindestens 10x am Telefon abgelehnt hatte. Glück gehabt! Caro hatte ja geschrieben, dass wir uns an einem Hafenmanöver in Lanzerote ein paar Schrammen am Boot geholt hatten. Ich hatte mich sehr geärgert, da es einfach vermeidbar gewesen war und ich einfach nicht genug nachgedacht hatte. Dies hat nun dazu geführt, dass wir uns wieder ausführlich mit Hafenmanövern beschäftigt hatten. An diesem Tag in Teneriffa nach einer anstrengenden Nacht mussten wir 3x An- und Ablegen, alles hat super geklappt. Also war auch hier der Schaden in Lanzarote ein guter Denkanstoß, der uns jetzt zugute kam. In diesem Sinne hoffe ich also, dass wir alle in den kommenden Überfahrten gut auf uns achten und damit keine weiteren Seekrankheiten zu befürchten haben.
Inzwischen ist Enno glücklich bei der Oma in Berlin angekommen und hier ist unsere Crew durch Korneel aus Belgien und Abdullah aus Qatar komplettiert worden.
Wir haben unser zweites Spinnakerfall bekommen, die komplette Rollreffanlage (Furlex) demontieren, warten und reparieren lassen und eine 12mm starke Oberwant austauschen lassen.
Wer mit diesen Begriffen etwas anfangen kann merkt, dass wir ziemlich substanzielle Arbeiten am Rigg haben durchführen lassen. Nicht, dass wirklich etwas kaputt war aber es gab Anzeichen, die potenzielle Störungen hätten nach sich ziehen können und daher haben wir es machen lassen. Eine kleine lokale und sehr engagierte Rigging-Firma hat die Arbeiten durchgeführt und tatsächlich dafür gesorgt, dass wir jetzt am Freitag Abend soweit sind sagen zu können: Ja, wir fahren am Sonntag los!
Ihr könnt euch also vorstellen, warum wir so lange nicht geschrieben haben. Erst ankommen, dann viele Dinge kaufen und organisieren, Enno verabschieden, Korneel und Abdullah abholen, wieder einkaufen…. mit Urlaub hat das nichts zu tun. Ich habe kaum das Gefühl, mich innerlich darauf einstellen zu können, dass wir am Sonntag auf den großen Atlantik fahren, da ich so in Vorbereitungen stecke. Vielleicht ist das auch ganz gut so. Irgendwann werden wir den Hafen verlassen haben und dann langsam realisieren, dass wir jetzt wirklich auf dieser großen Überfahrt sind. Nervös sind wir natürlich trotzdem, trotz all der guten Vorbereitung ist das doch ein großer Schlag.
Der Plan ist, erst einmal soweit wie möglich nach Süd-Süd-West zu fahren, um der Zone mit Schwachwind zu entgehen, die hinter uns lauert. Wenn wir in der Gegend vom 20° Nord sind können wir dann in Richtung Westen abbiegen. Die Kapverden werden wir voraussichtlich auslassen und direkt in Richtung Barbados fahren. Wir haben damit einen Zeitraum von 18-21 Tagen auf See vor uns, deutlich länger als alles, was wir bisher hatten.
Ihr könnt uns dabei via GPS Tracking verfolgen, den Link habt ihr ja bereits im letzten Eintrag gehabt. Ihr habt auch die Möglichkeit, uns dort Nachrichten zu schicken, wir sind also auf auf dem großen weiten Ozean erreichbar. Ebenso werden wir natürlich Enno, unserem Crewmitglied auf Heimaturlaub regelmäßig schreiben und Enno wird dann das eine oder anderen in den Blog laden.
Soweit unsere Pläne in Kürze. Carola schläft bereits, nachdem sie gefühlte 127 Einkaufstauschen in diesem Boot verstaut hat und dann noch für uns gekocht hat, Lennard spielt irgendwelchen komplizierten Spiele mit Korneel in selbstverständlichen Englisch, Abdullah schläft noch einmal in einem Hotel und ich freue mich, auf mein Bett in noch ruhigem Hafen.