Ihr Lieben, wir bekommen etliche Mails mit der Frage, wie es denn nun mit uns weiterginge. Wir haben uns in der Vergangenheit zurückgehalten, über Pläne unserer Route zu schreiben, da wir uns die Flexibilität erhalten wollten und uns z.B. im Hinblick auf eine Atlantiküberquerung nicht selbst unter Druck setzen wollten. Jetzt machen Pläne nur begrenzt Sinn, da sich die Parameter ja bekanntermaßen schnell ändern. Da aber einige Artikel in der deutschen Presse von einer schwierigen Situation für uns arme Segler im Paradies berichten, will ich hier einmal unsere Perspektive auf die Zukunft beschreiben.
Die Zukunft beginnt in der Gegenwart und in der geht es uns erst einmal super! Wir liegen hier umgeben von netten Booten und kommen mehr zur Ruhe als auf der gesamten bisherigen Reise und sicher auch mehr als im Berliner Alltag. Wir gehen trotz Ausgangssperre morgens zum Strand und machen ca. 90 Minuten Yoga, letztens sogar noch zusätzlich zum abendlichen Partner-Yoga. Wir ziehen uns mit allerlei Boards (Kiteboards, Surfboards, Wasserski) über das Wasser und gehen Schnorcheln mit Rochen und anderen tollen Tieren. Wir bekommen Trinkwasser in der Marina und die Supermärkte haben 4h täglich geöffnet. Anstatt uns also über eine potenziell ungewisse Zukunft zu sorgen genießen wir die Zeit hier!
Nun aber zu unseren Optionen. Ja, Antigua liegt im Hurricane-Gürtel. Die offizielle Saison beginnt im
Juni aber nach Antigua kommen die Wirbelstürme, wenn sie denn kommen, im Spätsommer September/Oktober. Die Zone reicht offiziell von 10° nördlicher Breite bis 30° nördlicher Breite. D.h. wir müssten entweder nach Süden bis zu den niederländischen Antillen oder nach Norden bis mindestens South Carolina. Wir haben allerdings eine gute Versicherung, die auch für HurricaneSchäden aufkommt, wenn wir das Boot entsprechend gesichert haben. Entsprechend haben wir einige Optionen:
A) Wir fahren in den Süden, z.B. nach Curacao (wenn die die Grenzen wieder aufmachen), lagern dort das Boot über die Hurricane-Saison ein und versuchen es im Herbst zu verkaufen.
Das machen viele Segler und entsprechend voll bzw. übervoll sind Marinas und
Landliegeplätze. Curacau ist nur 400nm entfernt, d.h. aus dieser Sicht wäre das einfach.
B) Wir fahren nach Norden. Eine Planung war, über die BVIs und die Bahamas in die USA zu fahren und das Schiff in Annapolis, einem riesigen Segelgebiet unweit von Washington DC zu verkaufen. Die Saison ist dort eher vergleichbar mit einer europäischen Saison, weshalb uns ein Verkauf im Frühsommer sinnvoll erschien. Nun, in die USA wollen wir z.Zt. nicht und nach Annapolis sind es immerhin 1800nm also ein ziemlicher Ritt. Hinzu kommt, dass uns die ganzen Inseln auf dem Weg dorthin nicht reinlassen.
C) Wir bringen das Boot zurück nach Europa. Antigua – Azoren ist eine klassische Route. Es ist zwar nicht so windsicher, wie auf der nördlichen Route, die nördlich des 30. Breitengrades verläuft aber mit einigen Kanistern Diesel kann man auch Flauten überstehen. Und es sind „nur“ 2200nm, d.h. 700nm kürzer als die Nordroute. Die Azoren lassen z.Zt. niemanden an Land aber ankern und verproviantieren ist erlaubt. Das Einfliegen von zusätzlicher Crew ist allerdings schwierig. Zudem stellt sich die Frage, was wir mit dem Boot in Europa anstellen. Wir haben zwar in unserem Heimatclub am Stößensee einen Antrag auf einen größeren Liegeplatz gestellt aber 45 Fuß dürften dort allenfalls für einen großen Lacher sorgen und zum Segeln auf der Havel ist es deutlich überdimensioniert. Auch auf der Ostsee brauchen wir es nicht, da allenfalls Caro und ich Sommer mit 18° Luft und 15° Wassertemperatur als tolles Segelwetter empfinden und die Jungs wohl allenfalls sporadisch dabei wären. Es bliebe also das Mittelmeer. Unser ursprünglicher Plan war ja, das Boot in die Türkei in die Charter zu bringen und den Rest der 2020 Saison zu nutzen. Allerdings lässt die Türkei ausländische Boote nur noch unter bestimmten Bedingungen zu und da fallen wir nicht drunter. Es blieben
Griechenland oder Kroatien aber wie verlässlich ist denn z.Zt. der Chartermarkt für
Segelyachten? Hinzu kommt, dass das von hier sicher 5000nm sind also ein riesiger Aufwand. Wir hatten das Boot gekauft und verchartert, da wir uns die Voraussetzungen für diese Reise schaffen wollten und das brauchen wir in der Zukunft erst einmal nicht mehr.
D) Wir bleiben erst einmal hier. Wie schon erwähnt schließt unsere Versicherung den Hurricane-Gürtel nicht kategorisch aus. Wir könnten also bis zum Juli auf Antigua bleiben oder ggf. zu den Nachbarinseln cruisen. Im Juli machen wir das Boot an Land oder im Wasser entsprechend der Versicherungsbedingungen fest und heuern jemanden an, der regelmäßig nach dem Boot schaut. Wir steigen in ein Flugzeug, was dann hoffentlich wieder fliegt und kommen nach Berlin, wo wir ab Juli auch wieder in unser Haus können. Der lokale Broker bietet das Boot auf den internationalen Plattformen an und zur Segelsaison in der Karibik wird das Boot hier verkauft. Diese Lösung geht natürlich davon aus, dass sich die Lage in der Welt wieder etwas normalisiert aber davon auszugehen, dass die Welt völlig aus den Fugen gerät erscheint mir wenig sinnvoll. Und für so etwas kann man eh nicht planen .
Im Moment favorisieren wir die Lösung D. Wir sind nicht in dem Panikmodus anderer Segler, die ihre Weltreisen abbrechen, um nun ganz schnell nach Hause zu müssen. Wir können uns auch von unserer Leonardo wieder trennen, obwohl sie uns wirklich ans Herz gewachsen ist und eine Bavaria 45 Cruiser ist ein Standardboot, was hoffentlich auch einen Käufer findet. Unsere Versicherung scheint auch flexibel und damit sind wir nicht so sehr unter Druck. Natürlich würden wir gern weitersegeln anstatt um Antigua herumzusegeln aber das sind Feinheiten. Wir haben hier nette Boote um uns herum, tolles Wetter und Wassersportmöglichkeiten. Warum also das nicht noch bis Juli genießen?
All diese Überlegungen sind Momentaufnahmen und wie ihr wisst, kann sich vieles schnell ändern. Wir wollen euch nur nach Hause übermitteln: Uns geht es gut, wir sind gut auf vieles vorbereitet und wir haben verschiedene Optionen. Ach ja, und wir sind gesund, in Antigua gibt es seid mehreren Tagen unverändert nur 15 Fälle von Covid 19 und keinen Todesfall!